Ich freue mich sehr, dass heute meine neue Reihe „Andre Länder, andre Sitten“ beginnt. Familien berichten dabei über Ihr Leben mit Kindern im Ausland. Dort läuft alles oft ganz anders als hier. Den Anfang der Blogreihe macht dabei meine Schwester, die seit 2002 in Belgien lebt.
Leben mit Kindern in Belgien
Warum man manchmal keine Wahl hat
Mein Name ist Nadine, ich bin (fast) 39 Jahre alt und die Zwillingsschwester der Chaos & Queen. 1998 verkuppelte die Chaos & Queen mich an einen Belgier. Seit 2002 lebe ich nun schon mit meinem Mann und (seit 2007 und 2009) auch unseren beiden Kindern im ‘Frittenland’.
Wenn ich Bekannten und Freunden aus Deutschland erzähle, dass ich meine Kinder damals mit drei bis vier Monaten zu einer Tagesmutter brachte und wieder arbeiten musste, erhalte ich oft die Reaktion “Waaaas, so früh, aber dann sind sie doch noch so klein?“
Natürlich ist das nicht immer ganz freiwillig.
Daher berichte ich Euch heute ein wenig über mein Leben in Belgien und wie das Leben mit Kindern hier geregelt ist.
Die Kinderbetreuung ist in Belgien mit Tagesmüttern und Kitas sehr gut geregelt, wenn man sich rechtzeitig um einen Betreuungsplatz kümmert. Am besten sogar noch vor der Schwangerschaft.
15 Wochen Mutterschutz
In Belgien gibt es 15 Wochen Mutterschutz. Er kann maximal 6 Wochen vor dem errechneten Termin beginnen und muss nach der Geburt mindestens 9 Wochen betragen. 9 Wochen! Könnt ihr Euch vorstellen, wie klein die Würmer dann noch sind?
Fakt ist: in Belgien ist das so und es ist das einfach ‘normal’. Das heißt im Klartext: Je länger Du vor dem errechneten Termin noch arbeiten kannst (max. bis 1 Woche vor ET), je länger kannst Du danach dein Babyglück zu Hause genießen, maximal aber 15 Wochen. Die Meisten versuchen daher, 1 Woche vor Termin und 14 Wochen nach Geburtstermin den Mutterschutz einzuplanen, soweit das gesundheitlich möglich ist.
Während des Mutterschutzes erhält man zwischen 82 – 75 % des Bruttogehaltes und man hat die Möglichkeit, den Mutterschutz zu verlängern und eine zusätzliche „Stillzeit“ zu beantragen. Diese Zeit wird allerdings nicht vergütet.
Man kann dennoch länger stillen als 3 Monate, denn dein Arbeitgeber ist -genau wie in Deutschland-verpflichtet, Dir entsprechende Räumlichkeiten zum Abpumpen zur Verfügung zu stellen.
Go with the Flow? Manchmal hat man einfach keine Wahl …
Ich gestehe:
Auch ich habe meine Kinder nach meinem Mutterschutz von 15 Wochen zu einer Tagesmutter gegeben, um wieder arbeiten zu gehen. Natürlich wollte auch ich lieber länger bei meinen Kindern bleiben und mehr Zeit mit Ihnen verbringen. Auch mein Herz hat geblutet, als ich diese kleinen Wesen bei der Tagesmutter abgab.
Eigentlich gab es für uns aber keine Alternative. Es ist hier wie es ist. Auch finanziell ging es für uns nicht anders und ich ging zurück in den Beruf. Nach 4 Monaten in den alten Beruf zurückzukehren ist für eine Mutter vermutlich deutlich einfacher, als nach ca. 12-15 Monaten einen Neueinstieg zu finden. Auch, wenn sie hierfür natürlich ihr noch ihr mini kleines Baby abgeben muss.
Die Preise der Tagesmütter sind unterschiedlich. Manchmal wird der Preis am Einkommen festgemacht, manchmal sind es feste Tagespreise. Wir mussten damals pro Tag 25 € bezahlen. Von der Steuer bekam man im Nachhinein 11 € / Tag zurückerstattet.
Ich habe mir mehrere Tagsmütter angeschaut, bevor ich mich entschieden habe. Ich habe nicht die praktischste Tagesmutter gewählt, die auf meinem Weg zur Arbeit lag. Auch nicht die Billigste, sondern die Tagesmutter, der ich mein kleines Baby anvertrauen wollte.
Weniger Zeit – weniger Liebe?
Meistens habe ich 4 Tage die Woche gearbeitet (es gibt noch sowas wie Elternzeit). Einen Tag in der Woche waren die Kinder bei den Belgischen Großeltern und einen Tag war ich mit Baby zu Hause. Demnach bezahlten wir im Monat ca. 300 € an die Tagesmutter.
Ja, es ist schwer zu akzeptieren, dass der erste Brei oder die ersten Schritte eventuell nicht bei der Mutter stattfinden, sondern bei der Tagesmutter. Auch die Tatsache, dass die Tagesmutter mehr Zeit mit meinem Kind verbrachte als ich war nicht immer leicht. Aber ich habe meine Kinder darum nicht weniger lieb. Ich weiß nicht, ob es die Beziehung zu einem Kind beeinflusst. Brauchen die Kinder uns nicht auch, wenn sie größer werden? Nehmen Sie unsere Nähe dann nicht mehr wahr?
Von der Tagesmutter in den Kindergarten
Wenn die belgischen Kinder 2.5 Jahre alt sind, kommen sie in den Kindergarten. Kindergarten und Grundschule sind hier meist im gleichen Gebäude, so dass sie sich gleich an die Räumlichkeiten der Schule gewöhnen können. Da (aufgrund der o.g Punkte) auch die meisten Mütter in Belgien arbeiten, ist der Kindergarten ganztags. D.h von 08.50 h bis 15.50 h wird unterrichtet. Vorher und Nachher gibt es die Möglichkeit einer schulischen Betreuung, da die Arbeitgeber die Arbeitszeiten hier leider nicht nach den Schulzeiten regeln. Es ist alles hervorragend geregelt, allerdings wäre es familienfreundlicher, den Eltern Arbeitszeiten anzubieten, die es ermöglichen die Kinder rechtzeitig von der Schule abzuholen. Auch hier macht uns das System zum Mitläufer, hat man kaum eine andere Wahl.
Mit 6 Jahren (abhängig vom Geburtsdatum auch mit 5 Jahren) kommen die Kinder in die erste Klasse. Es sind lange Schul- und Kindergartentage, da die meisten Eltern erst gegen 17.00/17.30 Uhr an der Schule sind.
Gleichzeitig bedeutet es kurze Abende, denn dann kommt der Rest: Kochen, Haushalt, Hausaufgaben und Hobby’s. Mittwochs ist in Belgien immer ein halber Schultag, so dass viele Hobby’s Mittwochs Nachmittags stattfinden. In unserem Fall kümmern sich die belgischen Großeltern Mittwochs um die Kinder, versorgen sie mit frischer Suppe und fahren sie auch noch zu ihren Hobbies. Ich gebe zu: hier haben wir das große Los gezogen.
Wie es wohl gewesen wäre, wenn meine Kinder in Deutschland aufgewachsen wären. Wenn ich länger zu Hause geblieben wäre, mehr Zeit mit ihnen verbracht hätte und ihre Schultage weniger lang wären. Wenn sie nachmittags noch Zeit hätten, richtig zu spielen und sich mit Freunden zu treffen. So war es jedenfalls früher bei uns.
Kleine Kinder werden gross
Mittlerweile sind meine Kinder 11 und 8 Jahre alt. Sie beschweren sich nicht, dass es so ist wie es ist, denn sie kennen es nicht anders. Sie kriegen es hin, Ihre Hausaufgaben und Hobbies entsprechend einzuplanen und haben in meinen Augen auch abends und am Wochenende noch genug Zeit zu spielen und sich auszutoben.
Wir unternehmen viel zu viert und versuchen viele Wochenenden zusammen zu verbringen und regelmäßig wegzufahren, um Quality Time mit der Familie zu verbringen. Meine Kinder sollen schöne Erinnerungen haben, in Liebe aufwachsen. Der stressige Alltag soll das nicht verhindern.
Die Planung der Sommerferien
Wer mit einer Familie in Belgien schon gesprochen hat, kennt das ewige Thema Sommerferien-Puzzel.
In Belgien gibt es 8 Wochen Sommerferien, dazu natürlich auch Karnevals-, Oster-, Herbst- und Winterferien. So viele Urlaubstage hat kein normaler Mensch!
Wir versuchen mindestens 2-3 Wochen im Jahr gemeinsame Ferien zu machen und weg zu fahren. Die anderen 5-6 Wochen müssen wir mit Ferienlagern und Betreuungen einplanen.
Auch hier ist die Betreuung der Kinder in Belgien super geregelt. Es gibt unzählige Kurse, Workshops, Ferienlager und Betreuungsangebote, um den Kindern tolle Sommerferien zu bieten. Mit oder ohne Übernachtung und für alle Altersklassen.
Meine Kinder mögen Kinderbetreuung leider gar nicht. Bis wir etwas gefunden haben, was sie machen möchten, und, was in unseren Sommerplan passt, dauert es meistens etwas länger. Dazu muss das Ganze auch noch bezahlbar sein. Denn ein Ferienlager mit Übernachtung kostet zwischen 200-300 € für 5 Tage. Bei 8 Wochen Sommerferien sind wir nicht die Einzigen, die hier manchmal an Ihren finanziellen Möglichkeiten scheitern. Natürlich gibt es auch günstigere, die am Tag 8€ pro Kind kosten.
So sieht das Ganze bei uns dann aus:
Ein Hoch auf die Großeltern, die uns oftmals im Sommer und auch in den anderen Ferien unterstützen und als rettende Engel einspringen.
Ich kann Euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, dass das Sommerferien-Puzzel 2018 abgeschlossen ist.
We’ve got it all
Andere Länder, andere Sitten. Dennoch sollte man sich nicht mit anderen vergleichen, denn es ist überall anders. Und manchmal heißt es einfach: Go with the Flow.
Wir leben gerne in Belgien. Wer kann schon sagen, dass er in 1 Std. in den Bergen (Ardennen) und in 1,5 Stunden am Meer ist. Ich kann!
We’ve got it all and we got eachother !
*********************************************************************************************
Vielen Dank für diesen großartigen Beitrag und die Einblicke in das Familienleben in Belgien. Ich bin gespannt, was ihr dazu so sagt. Und, wenn ihr im Ausland lebt oder jemanden kennt, der gerne etwas zu dieser Rubrik schreiben möchte, dann freue ich mich wahnsinnig, wenn ihr Euch bei mir meldet.
Eure Chaos & Queen
5 comments
Toller Beitrag! Wir in der Schweiz haben es ähnlich wie deine Schwester in Belgien. Auch wir haben mind. 14 Wochen MU, aber beginnend ab der Geburt. Bei Bedarf kann sich frau aber vor der Geburt krankschreiben lassen, die meisten reduzieren eh schon die Arbeitszeit davor. Aktuell wird grade der Vaterschaftsurlaub diskutiert. Da finde ich, haben wir noch viel Luft nach oben! Elternzeit gibt es bei uns nicht.
Das Schulsystem ist bei uns auch anders. Gerade was die Zeiten angeht. Spannend, spannend.
Gruss aus Zürich
Meine Liebe, schön, dass Du den Beitrag gelesen hast und er dir gefällt. Vielleicht möchtest Du ja auch gastbloggen bei mir? Es soll ja eine ganze Reihe Berichte geben und ich wäre froh, wenn Du dabei bist ein wenig von Euch zu berichten! Liebste Grüße
Ein sehr interessanter Artikel und ich sehe dass es in Belgien gar nicht so anders ist wie in Italien ! Es ist immer ein enormer Spagat zwischen Beruf und Familie, nicht immer leicht!
Danke Teresa. Ich finde es auch eine tolle Blogreihe und freue mich, wenn bald Dein Artikel kommt. Hast Du eigentlich noch weitere Bilder erhaschen können? :-)
Ein interessanter Artikel! Ich komme aus Deutschland, doch meine Kinder (fast 8 und 4) sind in Kanada auf die Welt gekommen, woher auch ihr Vater stammt. Vor fast 3 Jahren sind wir dann nach Schweden gezogen. Obwohl ich schon länger nicht in Deutschland gelebt habe, empfinde ich es schwieriger als gedacht, in einem anderen Land bzw. einer anderen Kultur Kinder zu erziehen. Auch wenn es bei kulturellen Werten eigentlich kein gut oder schlecht gibt, vergleicht und bewertet man eben doch (also ich zumindest). Natürlich möchte man als Eltern authentisch sein, gleichzeitig jedoch vermeiden, dass die Kinder als allzu „anders“ wahrgenommen werden. Mein Sohn hat vor kurzem im Schwimmbad zu mir gesagt, dass ich doch leiser sprechen soll, damit nicht alle hören, dass wir keine Schweden sind. Ich werde ihm den Gefallen tun, aber ich denke nicht, dass es reicht, nicht Deutsch zu sprechen, um nicht als Ausländer wahrgenommen zu werden. Ich hoffe, dass er damit einigermaßen klarkommt. In Montreal wäre das wohl wiederum kein Problem gewesen, weil es so viele Menschen mit einer anderen Muttersprache (Kultur) gibt, dass man überhaupt nicht auffällt… Aber: „There are no problems, only challenges!“