Ich möchte es nicht versäumen, auch die Geburt unserer Miniqueen mit Euch zu teilen. Den Bericht des Chaosmädchens findet ihr übrigens hier.
Wie das so ist mit dem Adel. Manchmal lassen sie einen warten. Und keiner kann Ihnen böse sein. Ich war seit Beginn der Schwangerschaft der Überzeugung, dass unsere Miniqueen uns bereits zu Weihnachten oder Silvester beehren würde. Daher hatten wir ja bei der Weihnachtsdeko etwas gespart und auch den Baum frühzeitig wieder entsorgt. Dass wir am Ende über den errechneten Termin kommen, hätte ich nicht für möglich gehalten.
Die Wartezeit fand ich schlimm. Schließlich wartete ich vergeblich auf Wehen. Zusätzlich versuchte ich mein Glück mit einem Rizinusöl-Getränk. Bei mir hatte es leider nur die Wirkung einer Darmspülung, die mich 6 Stunden lang zur Toilette laufen ließ. Wehen hatte ich keine.
Ja, auch eine heiße Wanne und ein Gläschen Sekt habe ich mir gegönnt. Aber auch das hatte keine Wirkung. Ich wurde zunehmend frustriert. Die Miniqueen ließ sich wirklich bitten.
Nachdem ich ja den Wunsch hegte, auf gar keinen Fall per Kaiserschnitt und auch auf gar keinen Fall per Einleitung zu entbinden, habe ich mich am Ende geschlagen gegeben. 10 Tage nach dem ET entschieden wir uns gemeinsam mit dem ausgewählten Krankenhaus für die Einleitung.
Wir sollten am 23.01.2017 um 7.30 Uhr im Krankenhaus erscheinen, um dort nach CTG und Aufnahme mit der Einleitung zu beginnen.
Eingeleitet wurde am gleichen Tag um 9 Uhr mit Misodel. Vielen wird es als „Plättchen“ erklärt oder „Stäbchen“. Man nahm sich Zeit, um mir alles genau zu zeigen und zu erläutern. In der Zwischenzeit brachte der Chaosmann das Chaosmädchen erstmal in die Kita. Das Stäbchen sieht ein wenig aus, wie ein weißer Schnürsenkel, in den man vorne ein silbernes Plättchen eingesetzt hat. Dieses wird vor den Muttermund geschoben, so dass dort einmal pro Stunde Hormone abgesondert werden können, die natürliche Wehen hervorrufen sollen. Sobald dieser Prozess in Gang gesetzt ist, wird dieses Stäbchen wieder „gezogen“ und der Körper arbeitet selbstständig. Er wird also eigentlich nur „angeschubst“.
Im besten Falle, so erklärte man uns, merke man bereits 4 Stunden nach Einsetzen des Stäbchens erste körperliche Reaktionen in Form leichter Wehen. 4 Stunden klangen für mich und den Chaosmann zunächst unendlich lang. Im Abstand von 2 Stunden sollten wir ab da an zum CTG im Kreißsaal erscheinen. Das erste CTG um 11 Uhr war unauffällig.
Ich muss zugeben, ich war fürchterlich angespannt und aufgeregt, hatte Angst vor dem, was mich in den nächsten Stunden erwartet. Schließlich kannte ich den Wehenschmerz bereits. Immer mal wieder wurde ein Tränchen vergossen. Nicht vor Schmerz. Eher vor Anspannung, Neugier, aber auch Freude, dass die Miniqueen bald da sein würde.
Nachdem wir uns ein wenig bewegt hatten, wollte ich mich im bezogenen Zimmer ausruhen und erklärte dem Chaosmann, ich würde noch ein paar Minuten die Augen zumachen. Ich glaube, die Augen waren keine Minute zu. Es war 12.30 Uhr.
Plöpp.
„Schatz, hast Du das auch gehört?“
„Nein!“
„Ich glaube, die Fruchtblase ist geplatzt“.
„Woher weißt Du das?“
„Ähm…alles ist nass.“
Da wurde mir auf einmal ganz schön heiß. Das Geräusch und Gefühl kannte ich vom Chaosmädchen nicht. Der Chaosmann sagte nur „Ähm..und jetzt, was müssen wir jetzt machen?“.
Wir machten uns auf den Weg zum Kreißsaal, wo wiederum ein neues CTG geschrieben wurde. Die geplatzte Fruchtblase war somit bereits 3,5 Stunden nach Einleitung die erste Reaktion meines Körpers am Morgen. Ein gutes Zeichen. Das Stäbchen wurde mit dem Fruchtwasser ausgeschwemmt. Auf dem CTG gleich nach dem Blasensprung waren bereits erste kleinere Wehen zu sehen, die ich auch spürte.
Wir sollten uns noch 2 Stunden bewegen und dann wieder zum CTG kommen. Die Wehen aber wurden schnell stärker und beim Auf- und Ablaufen auf dem Flur musste ich die einzelnen Wehen im Abstand von 2 Minuten bereits veratmen. Wir machten uns entsprechend früher auf den Weg zurück zum Kreißsaal. Dort wurden wir um 14.30 Uhr von der diensthabenden Hebamme in Empfang genommen. Zu dem Zeitpunkt konnte ich kaum noch sprechen vor Schmerzen.
Ab da lief alles ein wenig ab wie ein Film. Die Wehen kamen regelmäßig, fast ununterbrochen. Die Hebamme untersuchte mich und stellte fest, dass der Muttermund bereits 5 cm offen war. Mir kam das nach den aktuellen Schmerzen viel zu wenig vor. Die Hebamme verließ den Raum und ich bat den Chaosmann, sie sofort zurück zu holen, weil ich das Gefühl hatte, die Miniqueen würde bereits kommen. Die Hebamme reagierte zwar etwas verwundert, untersuchte mich aber erneut und stellte nach 15 Minuten fest: Muttermund 8 cm geöffnet. Weitere 15 Minuten später bat ich sie erneut nachzusehen.
Befund: Der Muttermund war bereits vollständig geöffnet.
Wenn ich oben behauptete, dass ich Geburtswehen bereits kannte, dann musste ich das jetzt revidieren. Mit Sicherheit vergisst man Einzelheiten einer Geburt und sicher verdrängt man auch den ein oder anderen Schmerz. Aber die Wehen bei Tildas Geburt waren nicht vergleichbar. Ich litt.
Nachdem der Muttermund offen war, sagte ich eigentlich nur „Super, kann ich jetzt pressen?“. Leider nein, denn der Muttermund hatte sich zwar geöffnet, das Bauchmädchen war aber in der kurzen Zeit nicht nach unten gerutscht und war entsprechend noch nicht geburtsbereit. Sofern man nach meinen Schmerzen ging, hätte das Bauchmädchen schon längst in meinen Armen liegen müssen. Immer wieder fragte ich „Wie lange noch…?“.
Ich bat um eine PDA. Mehrfach. Stattdessen bekam ich über meinen Zugang ein Schmerzmittel verabreicht. Ich hatte wenig Luft zu sprechen, habe mit Zeichen kommuniziert, ich habe viel gestöhnt und gejammert und geweint und geschrien. Das habe ich nie für möglich gehalten. Tildas Geburt verlief nicht schmerzfrei, aber irgendwie deutlich ruhiger. Die Hebamme fragte ich, was Sie in den Tropf mit dem Schmerzmittel getan hatte, denn es linderte den Schmerz in keiner Weise. Bei vollständig geöffnetem Muttermund geht die Geburt ohne PDA in der Regel deutlich schneller, als wenn man dann noch eine PDA setzte. Daher versuchte sie weiter darauf zu verzichten. Sie wollte eigentlich nur mein Bestes.
Ich sollte mehrfach die Position wechseln, da das Bauchmädchen sonst nicht tiefer rutschen konnte. Ich weiß nicht, wie oft ich sagte „Das geht nicht.“ Oder „Ich kann das nicht.“, weil es einfach zu schmerzhaft war. Möglich war es nur mit Hilfe der Hebamme und des Chaosmannes.
Und an all die Frauen, die Angst haben, Ihren Mann mit in den Kreißsaal zu nehmen. Lasst Euch gesagt sein. Es ist das Beste, was ihr machen könnt. Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, dass als Paar unheimlich verbindet und dass außer Euch beiden niemand je so wahrnehmen und erleben wird wie ihr. Erinnerungen, die für immer bleiben und die man nie in Worte fassen kann.
Der Chaosmann war einfach nur da. Und litt mit. Weil er meinen Schmerz sah. Und weil ich seine Hände zerdrückte. Ich wollte mich an nichts anderem festhalten, außer an ihm. Ich entschuldigte mich sogar noch bei ihm für mein Gejammer. Finde ich sehr rücksichtsvoll. :-)
Aber spaßig war es bei weitem nicht. Auch, wenn die nette Hebamme immer mal wieder einen lustigen Spruch brachte. Ich konnte nicht lachen. Ich war mit mir und den Schmerzen so sehr beschäftigt. Die Augen hatte ich überwiegend geschlossen und versuchte an schöne Dinge zu denken, die die Schmerzen linderten. Das gelang mir meistens mit Gedanken an mein Chaosmädchen.
Irgendwann, endlich, war das Bauchmädchen weit genug gerutscht und die Endphase der Geburt begann. Beim Chaosmädchen dauerte die Pressphase ja wirklich nur wenige Minuten. Ich ging also davon aus, dass das auch diesmal in wenigen Minuten gehalten war. Leider nein, leider gar nicht. Es verlangte mir alle Kraftreserven ab und immer und immer wieder stellte ich fest, dass ich einfach nicht mehr konnte und auch nicht mehr wollte. Hebamme und Chaosmann haben mich aber so unheimlich unterstützt und alles gegeben, dass ich nicht aufgab.
Ich presste – mal wieder- um mein Leben. Leider dauerte es trotzdem noch eine ganze Weile. „Ich sehe ganz viele Haare“ sagte die Hebamme. „Da ist das Köpfchen“. Ab da war es nicht mehr weit. Ich setzte neue Kräfte frei. Mehr als ich es je für möglich gehalten hatte.
Während die Hebamme mich motivierte immer mehr und mehr und mehr zu pressen fragte der Chaosmann sich, woher ich die Kraft und Luft nahm, das auszuhalten. Von ihm kam zwischendurch ein „lieber Luft holen….“. und glaubt mir, das meinte er ernst.
Als die Hebamme verkündete, der Kopf sei halb draußen war ich entsetzt: „Halb?“
Ich schlug vor, dass doch bitte nun jemand am Bauchmädchen ziehen könnte. Fand ich auch eigentlich sehr logisch. Ich war wirklich am Ende. Aber, da musste ich selber nochmal ran.
Ich spürte wie der Kopf meiner Miniqueen das Licht der Welt erblickte. Ich merkte, wie auch die Schultern hinterher kamen. Auf einmal fühlte ich mit der letzten Bewegung meines Kindes in meinem Bauch, dass sie da war und mein Bauch plötzlich leer war. Was für ein schönes und befremdliches Gefühl zugleich. Diesen Moment habe ich beim Chaosmädchen so bewusst nicht wahrgenommen. Vielleicht weil die Pressphase einfach so schnell vorbei war.
Um 17.34 Uhr lag die Miniqueen vor uns auf dem Entbindungsbett. Verbunden mit mir durch die Nabelschnur. Und da hörte ich Ihren ersten Schrei. Was für eine Befreiung, was für ein Glück, was für eine Erleichterung, was für eine Freude. Unsere Queen war endlich bei uns.
Der Chaosmann durchtrennte die Nabelschnur und dann war er da. Der Moment auf den wir so lange gewartet hatten. Sie lag auf meiner Brust. Unsere kleine Emmi. So weich und so wunderschön. Ich konnte die Finger und Augen nicht von ihr lassen.
Die Plazenta folgte wenige Minuten später problemlos. Die Schmerzen waren mit diesem Moment nicht vergessen und werden es wohl auch nie. Aber das Glück überwiegte und alles andere war zunächst nebensächlich. Unser kleines, kuschelweiches Wunder war endlich da.
Meine liebe Miniqueen. Du hast mir einiges abverlangt. Schmerzen, die ich meinem schlimmsten Feind nicht wünschen würde. Meine Hebamme erklärte später, dass die Einleitung bei mir zu einem Wehensturm geführt habe und es deshalb für mich so unerträglich und pausenlos war. Es waren Schmerzen, die mich vermutlich an jedem Deiner Geburtstage und darüber hinaus an diesen unvergesslichen Tag zurückdenken lassen. Erinnerungen, die mir Tränen in die Augen treiben. Weil es Dich gibt.
Wir sind unendlich dankbar und freuen uns auf ein Leben mit Dir.
Deine Chaosmama.
P.S. Beim nächsten Mal erzähle ich euch, wie es mit dem Chaosmädchen geklappt hat und wann und wie die erste Begegnung gelaufen ist.
12 comments
[…] nutze ich die Gelegenheit gerne, um Danke zu sagen! An die Geburten des Chaosmädchens und der Miniqueen denke ich dank meiner Hebammen gerne […]
[…] Wie wir alle. Das Chaosmädchen hat das gut gemacht. Wirkliche Probleme gab es nicht aufgrund der Ankunft der Miniqueen. Natürlich zeigte das Chaosmädchen neue Seiten oder hatte den ein oder anderen Wutanfall. […]
[…] ein Jahr später, lese ich den Geburtsbericht und weine. Vor Schmerz und Wehmut, aber auch vor Dankbarkeit. Ich denke an diese Momente vor einem […]
[…] zieht sich nicht alleine an. Ein Elternteil ist immer dabei und unterstützt. Seit der Geburt der Miniqueen zieht das Chaosmädchen sich selten alleine an. Für uns ist das okay, sofern sie auch mit macht. […]
[…] sehe ich das anders. Natürlich brauchte es eine Zeit, bis die schlimmsten Gedanken an die Geburt der Miniqueen verblassten. Aber er war wirklich schnell da, der Gedanke an ein drittes Kind. Ja, nicht nur der […]
[…] […]
[…] […]
Es ist doch immer wieder ein einmaliges Erlebnis. Und auch ich bin unendlich dankbar, dass ich das Wunder der Geburt dreimal miterleben durfte. Und ja, es ist wirklich mit nichts zu vergleichen. Auch wenn es doch jedes mal unglaublich schmerzhaft war, macht es mich persönlich auch unglaublich stolz. Ich bin stolz auf mich und meinen Körper. Und natürlich ganz besonders auf meinen Mann 😉. Auch ihm taten tagelang die Hände und die Ohren weh 😉😂
[…] ist sie seit 2 Monaten bei uns. Ich stelle fest, dass die Gedanken an die Geburt verblassen. Ich vergesse nicht den Schmerz, aber ich breche nicht immer in Tränen aus, wenn ich von […]
Liebe Jule,
dein Bericht hat mich wieder sehr gerührt. Wie froh ich bin, dass letztendlich alles gut gegangen sind und dass ihr alle gesund seid! Ich freue mich schon sehr darauf, die Miniqueen persönlich kennen zu lernen!
Alles Liebe für Euch Chaosfamilie!!!
Herzlichst Dorthe
[…] zweiten Kindes muss nicht zwangsläufig schneller oder schmerzfreier laufen. Siehe hierzu auch den Geburtsbericht. Die Geburt des zweiten Kindes ist allerdings nicht weniger spannend und emotional wie beim Ersten. […]
Uhh, ich hab Tränen in den Augen und einen Kloß im Hals- aber ein Lächeln im Gesicht. Es erinnert mich so sehr an meine erste Geburt. Nicht eingeleitet und nicht rasend schnell, aber dennoch etwas kompliziert, schier unendliche Schmerzen, die ich bis heute nicht vergessen habe und das Gefühl, in andere Sphären zu schweben, weil die Kraft scheinbar nicht ausreichte, es aber keinen Weg zurück gab. Bei mir war es nur nicht mit der Geburt an sich vorbei. Ich brauchte Wochen, um mich zu erholen und der Moment des Glücks kam dadurch auch erst später.
Für mich war es das größte Glück und die bestmögliche Unterstützung, dass mein Mann dabei war. Und ja, das verbindet so wahnsinnig. Er hat mich SO gesehen und verzeiht mir Alles, weil wir uns so nah waren und nicht mehr hätten geben können.
Ich wünsche dir und deiner Zaubermaus, dass dich das Glück und die Liebe durch jede durchwachte Nacht und müden Tag tragen mag und ihr euch als Familie (neu) findet.
Gruß, die Nachbarin ;)