Vor einigen Tagen war ich mit dem Chaosmädchen und der Miniqueen auf einer Babyshower bei einer Freundin. Die anderen Mütter und Kinder kannte ich nicht. Die Miniqueen saß auf dem Teppich und spielte. Bis ein etwa Zweijähriger sie zuerst ohne mir erklärlichen Grund schubste und später in den Rücken trat. Für mich als Mutter war es schlimm. Außer mir hat es leider keiner gesehen, aber es beschäftigt mich bis heute. Ich bin froh, dass der Miniqueen nichts passiert ist. Über das Verhalten des Jungen und Aggressionen bei Geschwisterkindern habe ich mir einige Gedanken gemacht und meinen Beitrag aus Sicht dieses Jungen geschrieben. Schließlich war auch er vor einer Weile großer Bruder geworden.
Hurra ein Geschwisterchen
„Hurra ein Geschwisterchen!“ Alle freuen sich und wollen den Neuankömmling sehen. Neugierig stehen sie um den Stubenwagen herum, schauen ins MaxiCosi und sagen „Oh, ist das süß!“ Sogar in der Stadt gaffen alle Leute meinen Bruder an. Mich sieht keiner mehr. „Hallo, ich bin auch noch da!“ will ich rufen, aber das mache ich nicht. Ich bin nämlich jetzt der große Bruder. Und so muss ich mich auch benehmen. Zumindest höre ich das ständig. Manchmal bekomme ich auch Geschenke, wenn jemand zu Besuch kommt. Dann freue ich mich. Ich bin ja auch stolz, ein großer Bruder zu sein. Es wird mir aber auch von allen Seiten vermittelt, dass ich das sein sollte. Manchmal will ich das gar nicht.
Ich bin alleine
Ich habe mich richtig gefreut, als mein Geschwisterchen endlich da war. So lange haben wir gewartet und Mama und Papa waren auch ganz aufgeregt. „Das MUSS ja toll werden, wenn alle so hibbelig sind!“ habe ich mir gedacht. Aber das ist es nicht immer. Nicht für mich. Wisst ihr, manchmal fühle ich mich so alleine, obwohl wir ja einer mehr sind. Ich sollte mich weniger alleine fühlen. Aber es ist einfach alles so anders, seitdem mein Geschwisterchen da ist. Manchmal, da macht mich das alles irgendwie wütend. Aber ich weiß gar nicht, wie ich Mama und Papa das erklären soll. Ich will ihnen ja auch nicht weh tun. Schließlich sind sie so glücklich, seitdem mein Bruder da ist. Aber oft dreht sich alles nur noch um den Kleinsten. Das nervt mich. Und alles, was er macht ist „so süß!“. Ich gebe es ja zu, ich finde ihn auch echt niedlich. Aber er kann noch GAR NIX. Nur schlafen, trinken, pupsen und die Windel voll machen. Was ist daran so toll? Wenn ich in die Hose mache, findet das keiner toll und wenn ich am Tisch pupse kriege ich manchmal Ärger. Und obwohl mein kleiner Bruder so wenig kann, bleibt irgendwie so wenig Zeit für mich. Zu wenig. Entweder das Baby hat Durst oder die Windel ist voll. Und wenn es das nicht ist, dann weint es. Immer muss Mama sich kümmern und ich muss warten.
Ich brauche Mama
Aber ich brauche meine Mama doch auch. Nur, weil ich jetzt groß bin, heißt das doch nicht, dass ich nicht auch meine Mama brauche. So groß bin ich nämlich gar nicht. Ich bin noch genauso groß wie vor der Geburt auch. Manchmal wäre ich lieber wieder ein Baby, dann hätte Mama viel mehr Zeit für mich. Ich möchte nämlich auch kuscheln und bei Mama sein. Das Baby wird immer getragen und wenn ich das möchte heißt es „Du bist doch schon groß!“ Ja und! Mama, ich bin auch Dein Kind und ich brauche Dich. Vielleicht mehr als vorher. Für Euch ist alles neu. Das verstehe ich. Aber für mich ist es das auch. Ich glaube, ihr vergesst das manchmal. Manchmal schaffe ich es nicht, Euch zu sagen, was ich fühle. Deshalb benehme ich mich manchmal richtig doof. Wisst ihr, ich liebe mein Geschwisterchen, aber manchmal werde ich auch richtig sauer und traurig. Weil es anders war, als ich Euch nicht teilen musste. Das Baby darf alles. Jetzt, wo es größer ist und krabbeln kann, will er sogar mein Spielzeug. Manchmal ist das okay für mich, aber das sind ja meine Sachen und ich möchte auch mal alleine damit spielen.
Ich bin hier
Manchmal spucke ich und schlage. Ich weiß, dass das doof ist. Aber ich weiß dann nicht wohin mit mir. Ihr seht mich manchmal nicht. Aber ich brauche Euch. Vergesst mich nicht. Ich bin nicht groß, nur weil jetzt jemand Kleines dazu gekommen ist. Wenn ich schreie, dann bin ich wütend. Ich will das nicht. Eigentlich möchte ich nur, dass ihr mich seht. Es ist wichtig, zu spüren, dass ihr mich immer noch liebt.
Aggressionen bei Geschwisterkindern
Heute Morgen war wieder alles doof. Immer musste ich warten und es war einfach keine Zeit für mich. Für nichts. Außer für das Baby. Ich habe nichts gesagt. Aber es hat mir weh getan. Ich hatte keine Lust mehr, mit Euch weg zu fahren. Ich wollte keine Rücksicht mehr nehmen und einfach auch mal bekommen, was ich möchte. Ohne Warten. Den ganzen Tag ging das so. Ich war wütend. So wütend. Dann saß da dieses andere Baby. Keiner hat hingeschaut und ich war so traurig und böse. Auf mein Geschwisterchen. Auf Dich Mama. Auf alles. Ich wollte ihr nicht weh tun. Wirklich nicht. Aber diese Wut kam einfach. Immer wieder wird mir gesagt, dass ich mein Geschwisterchen liebe und ihr nicht weh tun darf. Das mache ich nicht. Aber als das Baby da saß, da habe ich es geschubst. Ich dachte, es hat niemand gesehen. Und geweint hat sie auch nicht. Ich dachte, mich beobachtet niemand. Deshalb habe ich dem Baby in den Rücken getreten. Ich wollte wissen, was passiert. Mama, Du hast gerade nicht geguckt. Wieder nicht. Stattdessen warst Du bei meinem Bruder. Aber die Mutter vom Baby hat es gesehen. Sie war richtig wütend. Genau wie ich. Als es passiert war wusste ich, dass es falsch war. Ich habe mich geschämt, aber auch das konnte ich nicht sagen. Deshalb habe ich der Mutter eine Grimasse geschnitten. Das hat sie glaube ich noch wütender gemacht. Aber Mama, weißt Du, ich glaube, ich kann gar nichts dafür. Manchmal tut es seinfach so weh, nicht mehr allein mit Euch zu sein. Bitte seht mich und meine Bedürfnisse. Ich brauche Euch.
Meine Erfahrungen
Ich habe mir wirklich Gedanken über das Verhalten dieses Jungen gemacht. Es ist so wichtig, das „große“ Kind mit einzubinden, wenn ein Geschwisterchen unterwegs ist. Von anfang an. Es ist völlig normal, dass das Neugeborene anfangs viel Aufmerksamkeit braucht. Aber ein zweites Kind ist eben nicht das Erste. Man muss sich anders organisieren. Und man darf die Bedürfnisse des größeren Kindes nicht vernachlässigen. Beim Chaosmädchen haben wir das glaube ich ganz gut hinbekommen. Natürlich gibt es auch mal schlechte Tage. Ihre Schwester kann sie sich nicht mehr wegdenken und sie liebt sie über alles. Aber sicher ist es auch ihr an manchen Tagen etwas viel und das spiegelt sich auch in ihrem Verhalten wieder.
Das Geschwisterkind mit einbeziehen
Für uns war es wichtig, das Chaosmädchen bei der Vorbereitung auf die Geburt mit einzubeziehen. Es war uns wichtig, sie in den ersten Tagen nach der Geburt frei entscheiden zu lassen, ob sie in die Kita möchte oder lieber zu Hause bleibt. Auch sie sollte sich an die neue Situation gewöhnen, ihre Schwester kennenlernen. Genauso haben wir sie beim Wickeln, Baden, Stillen mit einbezogen, wo immer es ging. Sie sollte immer das Gefühl haben, ein Teil des Ganzen zu sein und mindestens genauso wichtig wie Ihre kleine Schwester. Es gab sicherlich auch Momente oder Tage, wo das einmal nicht geklappt hat. Das Chaosmädchen hat gelernt, mit uns zu kommunizieren und uns zu sagen, was sie braucht. Das finde ich im Miteinander absolut wichtig. Allerdings hängt die Art der Kommunikation vom Alter des Kindes ab. Kleinere Geschwisterkinder haben es da sicher schwerer, wenn sie nicht klar sagen können, was sie möchten. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass wir Eltern unsere Kinder und deren Bedürfnisse sehen. Für uns alle ist es schön, wenn das Chaosmädchen auch mal Exklusivzeit mit Mama oder Papa hat. Und ich denke, das genießt sie auch. Wer mir bei Instagram folgt weiss aus den Stories, dass das Chaosmädchen auch gerne mal zu Hause bleibt. Ich kann ihren Wunsch verstehen und genieße diesen Luxus der Elternzeit.
Einen interessanten Beitrag zum Thema Geschwisterchen und Enttrohnung findet ihr übrigens hier beim Gewünschtesten Wunschkind. Auch interessante Lektüre* habe ich gefunden: Kennt ihr solche Situationen oder auch Aggressionen von größeren Geschwisterkindern? WIe geht ihr damit um? Eure Chaos & Queen
*Affiliate: Wenn ihr über diesen Link etwas kauft, erhalte ich eine kleine Provision
2 comments
Sehr schön geschrieben!! Ich versuche auch, den Großen nicht zu vernachlässigen, was sehr schwer ist, weil er sooo groß ist, nämlich mittlerweile 9, und die Zwergin 1 1/2… Ich weiß, dass ich oft zu viel von ihm erwarte… Andere noch mehr.. Manch einer erwartet, dass er morgens alleine aufsteht, sich alleine mit Frühstück versorgt, alleine pünkltich zur Schule geht, und abends alleine isst und ins Bett geht, immer während Mama mit dem Baby kuschelt und stillt…. Das ist sehr exrem, denn er ist ein Kind dieser Familie, kein erwachsener Mitbewohner. Aber heute morgen habe auch ich zu viel erwartet. Denn die Kleine wollte wieder, wie so oft, seine Sachen haben, als er zur Schule los musste. Er ist so so süß mit ihr, tröstet, spielt, nimmt sie auf dem Kettcar mit, und gibt und leiht ihr sooo viel aus – und was bekommt er dafür? Unsere Erwartungen steigen… daran muss ich mich selbst immer wieder erinnern! Er ist fast so groß wie ich – aber er ist noch klein! Ein Grundschüler! Heute früh wollte er ihr eine Sache nicht geben, bis er nicht aus der Schule zurück ist, und sie hat gebrüllt und geweint… ich hab ihn dafür sehr schief angeguckt, und das tut mir sehr leid… werde ich nachher gerade rücken… zum Glück ist er auch ein Meister im Verzeihen… immer muss er warten, wenn er etwas zeigen möchte, oft bis abends wenn die Kleine schläft und er auch schon müde ist. Klar habe ich zwischendurch nachmittags auch mal Zeit, wenn die Kleine sich selbst gut beschäftigt. Aber dann macht er oft gerade Hausaufgaben oder hat einen Freund da oder ist draußen mit Freunden unterwegs – ich kann ihm DIESE Zeit dann nicht schenken. Und wenn er es wirklich braucht, weil er gerade richtig durch und kaputt und verzweifelt ist – genau dann schreit auch die Zwergin nach mir, und er muss wieder warten… Es tut mir so leid für ihn… wir reden darüber, das ist gut. Aber es ist einfach viel – für ihn und auch für mich, denn mein Anspruch an mich war ein anderer… Er müsste so böse sein auf sie, die ihm die Mama so viel wegnimmt – und er ist immer für sie da. Fast. Das muss er nicht. Er darf auch mal Nein sagen. Er darf seine Schwester auch mal doof finden. Ohne, dass das mehr kommentiert wird als all seine Jas!
Liebe Effi, danke für deinen Einblick in Eure kleine Welt. Es treibt mir schon fast ein paar Tränchen in die Augen. Dein großer scheint ein ganz wundervoller Mensch zu sein mit dem Herz am richtigen Fleck. Und wenn Du hier öfter liest, dann weißt Du, dass wir alle Fehler machen und Menschen sind. Jeden Tag geben wir unser Bestes. Und auch ich ärger mich darüber, wenn ich nicht alle Erwartungen erfüllt habe. Aber wer kann das schon? Es klingt, als gibst Du alles. Und ich finde es wichtig, dass Du mit ihm sprichst!