Endlich gibt es wieder einen neuen Beitrag zu meiner Reihe Andre Länder Andre Sitten. Heute ist meine treue Leserin Ahuefa zu Gast und dem Leben mit Kindern in der Schweiz.
Andere Länder – andere Sitten Leben mit Kindern in der Schweiz
Seit vielen Jahren lese ich als Schweizerin gerne deutsche Blogs, u.a. den von Jule, und immer wieder staune ich über die Unterschiede, die es gibt, wenn es ums Schulsystem und um die Kinderbetreuung außerhalb der Familie geht. Ich freue mich, dass ich heute etwas über die Schweiz erzählen darf. Ich bin unterdessen Vize-40 ;), und zusammen mit meinem Mann habe ich eine Tochter, 6, und einen Sohn, 4.
Als Schwangere bei der Arbeit
Eine Frau ist im Kündigungsschutz, sobald sie schwanger ist. Ein Arbeitgeber muss die Kündigung erneut aussprechen, sobald der Mutterschutz abläuft, dazu später mehr. Je nach Arbeit der Frau, darf sie gewisse Tätigkeiten nicht mehr machen, wie z.B. Nachtarbeiten oder längeres Arbeiten im Stehen, schwere Sachen heben oder mit giftigen Substanzen arbeiten. Wenn es einer Schwangeren nicht gut geht, kann sie sich vom Arzt krankschreiben lassen. Da sind die Ärzte natürlich sehr unterschiedlich gut darauf zu sprechen. Oft werden Frauen zu einem gewissen Prozentsatz krank geschrieben, so dass sie dann nicht mehr den ganzen Tag arbeiten, sondern nur bis am Mittag. Es gibt Frauen, die aber bis zur Geburt voll arbeiten können und wollen. Andere lassen sich schon etwas vor dem ET 100% krankschreiben.
Ab der Geburt
Ab der Geburt ist die Frau im Mutterschutz, hat Mutterschaftsurlaub, der seit dem 01.07.2005 gesetzlich 14 Wochen dauert. In dieser Zeit erhält die Frau weiter 80% des Lohnes (da sind natürlich noch Ausnahmen, z. B. basierend darauf, wie lange das Arbeitsverhältnis schon besteht). Es gibt aber Arbeitgeber, die von sich aus 16 Wochen 80% des Lohns fortzahlen. Mütter dürfen bis 8 Wochen nach der Geburt von Gesetz her nicht arbeiten. Für die Zeit von der 9. Bis zur 16. Woche dürfen sie nur mit ihrem Einverständnis arbeiten.
Nach dem Mutterschaftsurlaub
Dass Väter ihr Pensum nach der Geburt reduzieren können, ist leider viel zu selten. Wenn ich nachfolgend also von Müttern schreibe, gehe ich davon aus, dass die Väter 100% arbeiten. Natürlich gibt es aber auch andere Familienmodelle (ich z.B. arbeite aktuell 60%, mein Mann 80%, aber bald wieder 100%). Wie es dann weiter geht, ist sehr unterschiedlich. Manche Familien sind auf das Einkommen der Mutter angewiesen, dann arbeitet sie eben nach dieser Zeit wieder. Manche zu gleichen Prozent wie vor der Schwangerschaft, manche reduzieren ihr Pensum. Es kommt immer noch vor, dass Mütter das Pensum nicht reduzieren können/wollen und wieder Vollzeit arbeiten müssen. In dieser Zeit müssen die Kinder fremdbetreut werden. Dazu nachher noch mehr. Andere Mütter bleiben länger daheim und haben beim Arbeitgeber unbezahlten Urlaub beantragt. So können sie u.U. ein halbes oder sogar ein ganzes Jahr beim Kind bleiben. Je nach Arbeitgeber, Arbeit und Vertrag können sie danach wieder Vollzeit oder in Teilzeit weiter arbeiten. Manche Mütter ziehen aber auch bezahlten Urlaub ein, den sie an den Mutterschaftsurlaub anhängen, so können sie noch etwa vier bis fünf Wochen „herausholen“.
Wenn Mütter es sich leisten können, werden die meisten ihr Pensum reduzieren und nur noch ein bis vier Tage arbeiten. Viele Arbeitgeber können das nicht anbieten und deshalb kommt es zu einer Kündigung. Entweder einverständlich oder aber die eine oder andere Partei muss kündigen. Versicherungstechnisch ist es günstiger, wenn man die Kündigung erhält, denn bei „Selbstverschulden“ gibt es finanzielle Abzüge bei der Arbeitslosenversicherung, aber das ist wieder eine andere, lange Geschichte. Während des Mutterschutzes ist die Frau aber davor geschützt und der AG muss eben danach die Kündigung aussprechen und die Kündigungsfrist einhalten. In dieser Zeit muss die Frau dann natürlich aber auch arbeiten (und entsprechend eine Kinderbetreuung haben).
Ich hatte bei meinem letzten Arbeitsgeber das Glück, dass ich nicht nur 16 Wochen bezahlten Mutterschaftsurlaub hatte, sondern auch die Zusicherung, dass ich nach dieser Zeit meine Stelle behalten kann. Falls ich allerdings ein kleineres Pensum haben wolle, würde man sich vorbehalten, eine andere passende Stelle im Unternehmen zu suchen. Das haben wir dann auch gemacht, weil ich beim ersten Kind nicht zu 60% wieder einsteigen wollte. Ich kam in eine andere Abteilung, wo ich 2 Tage die Woche arbeitete.
Die externe Kinderbetreuung
Wenn beide Eltern arbeiten, werden die Kinder in der Schweiz entweder von Verwandten betreut (wohl in den wenigsten Fällen, weil z.B. die Grosseltern selbst noch berufstätig sind), sind in einer Kita oder Krippe (Kindertagesbetreuung) oder bei einer Tagesmutter. Alles muss schon recht früh organisiert werden, weil es für Kitas oft Wartelisten gibt, und es dort wie auch bei einer Tagesmutter sicher eine Eingewöhnungsphase gibt. In einer Kita gibt es fixe Zeitfenster, zu denen man die Kinder abgeben/holen darf, meist halb- oder ganztags, also Abgabe z.B. bis spät. 9 Uhr, abholen bis spätestens 18 Uhr. Tagesmütter sind da oft flexibler. Diese werden einem z.B. über einen Tagesmütterverein vermittelt. Dieser organisiert dann auch die ganze Bezahlung und Versicherung.
Natürlich vereinbart man auch mit einer Tagesmutter die Betreuungszeiten, aber oft kann man auf Vorankündigung auch mal ne halbe Stunde später kommen. Oder aber das Kind wird gemäß Vereinbarung auch zu späteren Zeiten betreut, wenn man z.B. Abend- oder sogar Nachtdienst hat. Das kommt sehr auf die Tagesmutter an. Sie hat oft eigene Kinder und/oder betreut mehrere Kinder verschiedenen Alters.
Alles wird erschwert, wenn die Mutter, das Kind oder die zu betreuende Person krank wird. Je nach dem darf man ein Kind dann nicht fremdbetreuen lassen. Aber auch das ist wieder eine lange Geschichte.
Vaterschaftsurlaub
Aktuell wird in der Schweiz auch der Vaterschaftsurlaub diskutiert, bzw. dass dieser auch gesetzlich verankert längere Zeit dauern soll. Einige Männer bekommen vielleicht einen Tag oder gar nicht (bezahlt) frei! Die meisten drei Tage. Nur ganz wenige, sehr fortschrittliche Firmen wissen den Wert zu schätzen und geben von sich auch mehr. Bezahlt! Das bleibt also spannend! Wenn Väter nach der Geburt länger bei ihrer Familie sein wollen, müssen sie das mit Ferientagen „bezahlen“.
Kinder im Vorschulalter
Etwa ab dem Alter von 2-3 Jahren melden einige Eltern ihre Kinder in einer sog. Spielgruppe an. Das sind Gruppen von bis zu etwa 10 Kindern, die von einer oder zwei dafür ausgebildeten Spielgruppenleiterinnen betreut werden. Es geht darum, erste regelmäßige soziale Kontakte zu haben (ohne Eltern!), mit Ritualen, Singen, Spielen u.ä. Das kann unterschiedlich lange dauern, zwei bis drei Stunden sind üblich.
Manche sind einmal in der Woche dort, manche zweimal, vormittags oder nachmittags.
Es gibt auch spezielle Versionen, unsere Tochter war z.B. in einer Waldspielgruppe, wo sie immer draußen waren. Unser Sohn ist in einer Bauernhofspielgruppe, wo sie z.B. auch Tiere mit versorgen. Diese Gruppen sind freiwillig und ziemlich beliebt (vermutlich auch, weil sie den Müttern ein paar Stunden „freie Zeit“ verschaffen *lol*, und wenn es nur ist, mal in Ruhe die Einkäufe zu erledigen).
Die obligatorische Schulzeit
Der Kindergarten startet, wenn die Kinder etwa 4 oder 5 Jahre alt sind, je nach Geburtsdatum. Damit startet die obligatorische Schulzeit von 9 Jahren in der Schweiz.
In den meisten Kantonen sind es 2 Jahre Kindergarten. Danach wechselt man in die Primarschule, die dauert i.d.R. 6 Jahre. Hinterher teilt es sich auf grundsätzlich 3 verschiedene Oberstufen-Schularten auf. Der Kindergarten ist zeitlich auch in jedem Kanton, sogar in den Gemeinden unterschiedlich. Aber vielerorts sind die Kinder im ersten Jahr von 08.30 bis 12.00 dort. Im zweiten Jahr kommen zwei Nachmittage dazu, etwa 13.45 bis 15.30. Über Mittag sind die Kinder daheim zum Essen, oder eben bei der Tagesmutter oder ab Kindergarten im sogenannten Hort. Diese Betreuung wird von der Schule angeboten, die deckt die Zeit vor, zwischen und nach der Schule/KiGa ab, wenn Eltern bei der Arbeit sind. Denn deren Arbeitszeit dauert meist von 8 bis 17 oder sogar 18 Uhr. Nach dem Essen dann eben wieder Unterricht und danach wieder heim. Eigentlich die ganze Primarschulzeit über ist der Mittwochnachmittag grundsätzlich frei. Dann finden oft freiwillige Freizeitaktivitäten statt wie Sportvereine, Musikunterricht oder ähnliches. Das gibt es aber z.T. auch an anderen Tagen nach der Schule.
Betreuung während der Ferien
Wie weiter oben erwähnt, haben wir meist 4 oder 5 Wochen Ferien im Jahr. Die Kinder haben aber etwa 13-14 Wochen Schulferien. Dazu kommen noch Frei- oder regionale Feiertage, Lehrerweiterbildungen, die die Schule/Schüler betreffen, aber nicht zwingend die Arbeitnehmer. Bei Kitas ist das dann weniger ein Problem. Bei den anderen springen da auch wieder Verwandte ein (wenn man welche hat), oder aber die Kinder sind dann eben öfter/länger bei der Tagesmutter. Aber auch diese hat natürlich irgendwann mal Ferien, und dann muss die Familie eben auch Ferien/frei nehmen oder sich anders organisieren. Oft stellt ein Tagesmütterverein sog. SOS-Tagesmütter zur Verfügung, die dann gegenseitig einspringen (z.B. auch, wenn die eigene TaMu krank ist).
Wir haben das große Glück, dass wir die Tagesmütter quasi auch privat kennen, wir sind befreundet, wohnen im gleichen Quartier. So sprechen wir Ferien miteinander ab, springen für einander ein und hüten gegenseitig die Kinder, die per Zufall teilweise im gleichen Alter sind und auch zusammen die Schule/KiGa besuchen.
Liebe Ahuefa, ich danke Dir wirklich sehr für Deine Einblicke. Es ist immer wieder spannend zu lesen, wie unterschiedlich das Leben sich in Ländern abspielt, die unsere direkten Nachbarn sind.
Kennt ihr das System in der Schweiz? Was findet ihr gut und was nicht? Was sollte Deutschland sich abschauen?Wenn ihr jemanden kennt, der gut für diese Reihe schreiben könnte, lasst es mich wissen. Ich freue mich auf weitere, spannende Beiträge.
2 comments
Ich bin wirklich überrascht wie unterschiedlich die Arbeitszeiten und Kinderbetreuungen in Europa geregelt sind. Und wie gut wir es in Österreich haben im Gegensatz zum Rest. Ich traue mich kaum zu sagen wie lange man in Österreich zuhause bleiben kann…
Hallo Christine, ja da hast Du Recht. Verwunderlich, dass es alles europäische Länder sind und es doch so unterschiedlich läuft. Ich würde mich sehr freuen, wenn Du einen Beitrag schreibst, wie es bei Euch so läuft. ;-)