Letzten Dienstag war ein merkwürdiger Tag. Also eigentlich war alles okay. Bis ich das Chaosmädchen aus der Kita abholte. Schon an der Garderobe erzählte sie wilde Geschichten über einen riesigen Kater, der im Höhlenraum der Kita lebt und ziemlich böse zu sein schien. Zuerst machte ich mir wenige Gedanken darüber. Doch immer wieder tauchte es auf, dieses Wesen.
Das Chaosmädchen und ich hatten einen wirklich unharmonischen Nachmittag. Zottel hieß das Wesen. Und es war Dauerthema. Wir stritten ständig und jede Kleinigkeit warf sie total aus der Bahn. Die falsche Tasse für den Kakao, die Tatsache, dass ich den Kakao umrührte, die falschen Kekse zum Kakao. Alles war falsch und egal, was ich versuchte, um es besser zu machen: Es klappte nicht.
Das Gespräch
Ich merkte, dass das Chaosmädchen im Kopf beschäftigt war. Sie war verängstigt. Und obwohl Zottel den ganzen Tag präsent war -auch in Ihren Erzählungen- realisierte ich nicht gleich, WIE sehr er sie beschäftigte. >Schließlich setzte ich mich mit dem Chaosmädchen aufs Sofa und hakte nach. Ich fragte nicht nach diesem Wesen, sondern danach, warum sie heute so wütend war und ich es ihr nicht recht machen kann.
Was folgte war ein regelrechtes Zusammenbrechen. Sie zitterte und weinte so bitterlich, dass mir immer noch die Tränen kommen, wenn ich daran denke. Sie sagte
„Mama, ich habe einfach so furchtbar doll Angst vor Zottel!“
Was irgendwie lustig klingt war für das Chaosmädchen ziemlich ernst und kein Stück komisch.
Wer ist Zottel?
Tja, das wüsste ich auch gerne. Schließlich hat er uns den Nachmittag ziemlich ruiniert. Wie genau Zottel denn nun aussieht weiß ich auch nicht. Er ist groß. Mal ein Mensch und mal ein riesiger Kater. Er hat lange Krallen und ist gefährlich. Auf dem Rücken hat er einen riesigen Stachel. Zottel klaut Dinge und ist böse. Manchmal zerkratzt er mit den großen Krallen den Boden und hinterlässt Spuren. Das war nur ein Teil dessen, was das Chaosmädchen über Zottel sagt. Es klingt ein wenig nach einer Abwandlung des allseits bekannten Grüffelo.
Zottel wohnt im Höhlenraum der Kita und ist eine Phantasiegestalt. In einer Erzählrunde wurde diese Figur eigens von einigen Kindern kreiert. Es war weder den größeren Kindern noch den Erziehern bewusst, was mit derartigen Geschichten bei einigen Kindern an Ängsten ausgelöst werden kann.
Das Verständnis
Ich habe dem Chaosmädchen aufmerksam zugehört, was sie über Zottel berichtete und natürlich wollte ich es auch ganz genau wissen. Das Chaosmädchen wich an diesem Nachmittag nicht von meiner Seite. Sie klebte förmlich an meinem Bein. Zusätzlich zur kranken Miniqueen, die sowieso schon an mir klettete. Das Chaosmädchen ging nicht alleine zur Toilette, nicht alleine in ein benachbartes Zimmer und schon gar nicht nach oben in ihr Kinderzimmer zum Spielen. Am Tisch, wo wir bastelten, musste ich neben ihr auf dem Stuhl sitzen. Nicht -wie sonst immer- gegenüber. Ich musste den Stuhl sogar näher an sie heran schieben. Weil sie Angst vor Zottel hatte.
Das Chaosmädchen wollte nicht alleine in Ihrem Zimmer spielen. Erst, als wir alle Räume absuchten, entfernte sie sich langsam einige Meter von mir. Allerdings verkündete sie da auch bereits, dass sie nicht alleine schlafen wollte.
Zwischenzeitlich war ich von diesem Wesen tatsächlich sehr genervt. Es kam mir zeitweise sehr übertrieben vor. Dieses Weinen und Zittern kannte ich bis dato nicht. Und so sehr es mich nervte, so sehr war ich bei ihr. Denn sie tat mir fürchterlich leid. Ich nahm sie und ihre Angst ernst und ich ließ sie damit nicht allein.
Der Umgang
Tatsächlich war ich etwas verunsichert, was die richtige Situation ist. Schließlich weiß ich, dass Kinder nicht rational wie wir entscheiden können „Den Zottel gibt es nicht!“. Kinder leben diese Phantasie aus, spinnen sich in Ihren Köpfen die dollsten Geschichten zusammen. Für unsere Kinder (je nach Alter) sind solche Wesen echt und flößen fürchterliche Angst ein.
Es war ein anstrengender Nachmittag. Was mir half damit umzugehen, war der Versuch, mich ins Chaosmädchen hineinzuversetzen. Hatte ich als Kind nicht auch Angst gehabt? Doch, die hatte ich. Ich ging zum Beispiel schon als Kind nicht gern allein in den Keller, abends schonmal gar nicht. Und statt einem „Stell Dich nicht so an!“ oder „Du musst keine Angst haben!“, hätte mir Einfühlungsvermögen, Verständnis und Unterstützung auch besser getan.
Trotzdem habe auch ich es zunächst mit „Den gibt es nicht!“ versucht. Nicht bestimmt, sondern liebevoll und helfend. Das Chaosmädchen aber begann immer wieder mit „Und wenn es ihn doch gibt? Und wenn er doch kommt?“ Da sie nicht in Ihrem Zimmer schlafen wollte, erklärte ich ihr, dass wir überall das Licht brennen lassen und alle Türen auf bleiben. Und wenn sie wirklich nicht schlafen kann, dürfte sie jederzeit zu mir kommen und bei mir schlafen. Diese Regel haben wir nicht nur bei Monstern und Zottel sondern grundsätzlich.
Ich wollte ihr so gerne helfen. Und wurde kreativ. Ich erklärte dem Chaosmädchen, dass Zottel kein Licht vertragen. Und schlug ihr vor, in Ihrem Schlafzimmer heute Nacht den neuen und wirklich hellen Weihnachtsstern anzumachen. Das würde Zottel direkt verjagen, schließlich würde er davon fürchterlich geblendet.
Zusätzlich bastelten das Chaosmädchen und ich ein Schild für die Zimmertüre „Kein Zutritt für Zottel“. Die roten Herzluftballons habe ich ganz auf Wunsch des Chaosmädchens gemalt.
Zottel kommt nicht mehr
Das Chaosmädchen schlief übrigens durch. Erst morgens um 6.30 Uhr rief sie und wollte in unser Bett, weil sie Angst vor Zottel hatte. Die Zottel-Abwehr hatte also funktioniert. Zottel hatten keinen Zutritt.
Ich erkundigte mich übrigens aufgrund ihres verstörten Verhaltens in der Kita nach dem Zottel-Wesen. Dabei wurde mir mitgeteilt, dass andere Mütter ähnliches Angstverhalten von ihren Kindern berichteten. Zottel wurde Gesprächsthema und die Erzieherinnen nahmen dies zum Anlass, das Thema ausführlich mit den Kindern zu besprechen. Das Chaosmädchen weiß nun, dass es Zottel nicht gibt.
Auch wir haben noch einmal ausführlich darüber gesprochen, dass es Phantasiewesen gibt, die man sich ausdenkt, wen eine Geschichte erzählt wird. Trotzdem kann ich die Phantasie meiner Kinder nicht steuern. Aber ich kann sie ernst nehmen und Ihnen helfen, damit umzugehen.
Monster hatten wir ja auch schon zu Besuch, da hatten wir auch unseren ganz eigenen Schlachtplan. Auch bei BerlinMitteMom findet ihr einen schönen Beitrag, wie man mit ähnlichen Situationen umgeht.
Als ich dem Chaosmädchen übrigens erzählte, ich habe eine rosa Maus mit Flügeln und Brille gesehen, mussten wir beide lachen.
Habt ihr bereits ähnliche Erfahrungen gemacht?
Eure Chaos & Queen
3 comments
Oooh, ich kenne das nur zu gut. Der Sohn hatte sowas in seinem letzten Kindergartenjahr. Da hatte ein Freund immer von einem Monster erzählt. Der Sohn hatte Angst in den Kindergarten zu gehen. Es taucht immer mal wieder auf, dass eines der Kinder sich fürchtet und dann „stecken“ sie sich auch gerne damit an.
Als Kind war ich selbst sehr und lange von nächtlichen Ängsten gebeutelt.
Mir und meinen Kindern hilft dann darüber zu sprechen, den „Feind“ kennenzulernen und zu“verstehen“.
Die arme Maus, ich hoffe das Monster ist verjagt. Ich habe hier noch ein Buch (geb ich Dir) da wurde es genauso gemacht.
„MONSTER müssen draussen bleiben!“
Mir ging es selbst so als Kind und ich kann mich noch lebhaft an diese Situation erinnern. Wichtig ist heute zu wissen, dass für Kinder diese Wesen durchaus real sind und man die Kinder in ihrer Angst unbedingt ernst nehmen muss.
Ich habe mein Erlebnis mit dem Monster im Schlafzimmer in einem Beitrag verarbeitet http://muttergans.de/index.php/2016/12/19/das-monster-auf-dem-schrank/