Kennt ihr auch diese Familien, die nach außen ein perfektes Bild abgeben? Diese Nutella- Werbesport- Gesichter? Die morgens früh ganz in weiß frühstücken, sich dabei natürlich nicht mit Nutella oder Marmelade bekleckern und ein breites Grinsen im Gesicht haben? Diese immer fröhlichen Menschen, die den Anschein machen, das Leben sei immer und zu jeder Zeit wunderschön?
Unsere Wirkung nach Außen
Unsere Wirkung nach Außen. Wie ist die eigentlich? Und ist mir das wichtig? Ich erzähle Euch, warum ich kein „Nutellagesicht“ sein möchte. Keine Kinder haben möchte, die nur für die restliche Welt im hübschen Kleidchen stecken. Meine Kinder brauchen nicht immer die besten Tischmanieren. Natürlich sollen sie eine Erziehung genießen, aber sie sollen dabei auch Kind sein.
Zu sagen, dass mir unsere Wirkung nach Außen immer völlig egal sei, wäre gelogen. Jeder legt sicherlich in gewissem Maße wert auf seine Außenwirkung. Die einen mehr, die anderen weniger.
Ich stelle aber fest, dass einem allzuoft dieses perfekte Familienbild vermittelt wird. Wisst ihr, was ich meine? Nein, dann scrollt doch mal durch Instagram. Dort gibt es selten Wäscheberge, jammernde Kinder oder traurige Beiträge. Da scheint einfach fast immer die Sonne. In allen Lebenslagen. Und manchmal, da scheint sie sogar aus dem…… Ach lassen wir das. „Nutellagesichter“ eben. Wir bei uns kriegen nicht viel „Nutellagesicht“ hin. Wir sind wie wir sind. Echt.
Bei den „Nutellagesichtern“ ist alles rosarot, die Wohnung sieht aus wie aus dem Schöner- Wohnen- Katalog. Klar, die ein oder andere dieser Wohnungen hätte ich auch gern. Für einen Tag oder zwei. Denn danach würde ich mich wohl wieder zurück wünschen in unser Chaos. Dort, wo Kinderhände die Küchenschubladen verschmiert haben, wo Spielzeug herum fliegt und Wäscheberge warten. Dort, wo Kinder spielen. Wo wir leben.
Perfektes Styling
Grundsätzlich ist es ja so: Leben und leben lassen. Aber echt, manchmal nervt es mich auch. Dieses Heile- Welt- Getue. Diese „Nutellagesichter“. Es ist eben nicht immer rosarot.
Ich sehe diese strahlenden Kinder, mit Ihren perfekt sitzenden Frisuren. In einem Outfit, das vermutlich die Mutter am Vorabend herausgelegt hat. Perfekt aufeinander abgestimmt.
Mein Kind läuft auch mit einem Lächeln aus dem Haus. Nicht immer. Denn es gibt auch Momente wie das Sockendrama. Das ist übrigens zwei Tage später dann noch richtig eskaliert und wurde mehrfach getoppt.
Dafür aber, hat mein Kind sich seine Klamotten selbst ausgesucht. Immerhin. Zugegeben: Sie gefallen mir nicht immer. Die Kreationen sind oft gewöhnungsbedürftig, manchmal beängstigend. Aber das Chaosmädchen entscheidet. Für sich. Findet ihren eigenen Geschmack ohne meine Vorgaben und hat nicht immer meinen erhobenen Zeigefinger über sich.
Die Haare hat sie oft ziemlich zusselig zusammengebunden. Oder gar nicht. Weil sie nicht immer Lust auf einen perfekten Bauernzopf hat oder, weil sie die Frisur kurz nach dem Zusammenbinden eben wieder zerrupft.
Ich frage mich immer wieder, ob es wirklich Kinder gibt, die auf dieses perfekte Styling abfahren. Oder ob sie einfach schon so gedrillt sind, dass sie es gar nicht mehr merken, was SIE eigentlich wollen.
Ja, mein Kind ist auch schon im Prinzessinnenkleid in die Kita gegangen und im Sommer mit Winterstiefeln herumgelaufen. Teilweise weil ich keine Lust hatte zu diskutieren – schließlich kenne ich den Dickkopf meines Kindes. Am Ende fand ich es aber gut. Denn es war das, was sie wollte!
Das Prinzessinnenkleid
Natürlich geht das nicht immer. Oder anders: Wir Eltern lassen es nicht immer zu. Wenn wir zum Beispiel auf eine Hochzeit gehen und das Chaosmädchen möchte unbedingt ihr verranztes Prinzessinnenkostüm anziehen, würde ich vermutlich auch „Nein“ sagen. Aber warum eigentlich? Eben genau wegen dieser Wirkung nach Außen.
Warum genau lassen wir sie dann nicht in diesem Kleid aus dem Haus? Ich sage es Euch! Weil wir denken: „Was werden denn die Leute sagen?“. Ganz schön bescheuert oder? Wir verlangen Selbstständigkeit der Kinder in allen Lebenslagen, aber wenn sie die dann an den Tag legen, dann schreiten wir ein. Nicht gut genug. Traurig. Weil wir es besser wissen. Aber was genau wissen wir denn eigentlich besser? Schließlich fühlt sich das Chaosmädchen in genau diesem Kleid mit den ausgefransten Armen und kleinen Löchern umwerfend schön. Deshalb ist es für sie auch dem Anlass entsprechend.
Es hindert uns einzig und allein der Rest der Welt. Ihr Blick auf uns. Aber ist der wirklich so wichtig?
Kind sein dürfen
Als das Chaosmädchen in die Kita kam, habe ich anfangs noch überlegt, was sie anzieht. Es sollte schließlich nicht alles total dreckig werden oder gar kaputt gehen. Irgendwann aber bemerkte ich, dass es Kleidungsstücke gibt, die sie nie tragen kann, weil sie einfach täglich in der Kita ist und das Wochenende auch nur zwei Tage hat. Deshalb gibt es bei uns keinen Unterschied mehr zwischen „gut“ und „nicht so gut“. Klamotten sind Klamotten und die werden getragen. So kam es letzte Woche, dass ihr schönstes Me & I Kleid (ein anderes als dargestellt), gerade für teures Geld gekauft, nun ein Loch an der Rückseite hat. Natürlich fand ich das schade und war auch ein bisschen traurig. Aber wisst ihr, warum das Loch da ist? Weil das Chaosmädchen Kind sein konnte. Sie fuhr mit dem Laufrad und war eine Prinzessin auf dem Pferd. Und die haben ja bekanntlich wallende Kleider. So wie Ihres. Das hatte sie auf dem Rad elegant nach hinten geschwungen. Sie fand es einfach so schön, diese Vorstellung. Ich beneide sie um Ihre Phantasie. Wie so oft. Das Kleid war hin. Das Kind war glücklich.
Ein Grund für die Matschküche
Auch das ist ein Grund für die Matschküche. Einige sagen: „Boah voll die Sauerei!“ oder „Die Tragen Euch doch den ganzen Sand rein!“
Stimmt. Ich habe ständig Sand und Dreck in der Bude und manchmal nervt mich das auch. Aber was ich vor allem habe, sind spielende und fröhliche Kinder. Die dürfen sich nämlich dreckig machen. Natürlich müssen es nicht die nigelnagelneuen weißen Glitzerschuhe sein, die sie dort trägt. Aber bei den Klamotten ist es grundsätzlich egal, wenn wir nicht gerade herausgeputzt sind, um das Haus zu verlassen. In Nutellaweiss. Oder im Prinzessinnenkleid zum Beispiel.
Diese Matschküche ist nur ein Beispiel für so viele Momente des Kindseins und sich Auslebens, die wir den Kindern bieten können. Wenn wir es zulassen.
Unsere Einschränkungen
Leider denke ich, dass der Gedanke nach einer guten Wirkung nach Außen oft dafür sorgt, dass die Kinder nicht mehr Kind sein dürfen. Dass sie viel zu oft fremd bestimmt sind. Keine eigenen Entscheidungen treffen. Ja manchmal geht es sogar so weit, dass ich glaube, dass sie nicht mehr sie selbst sind. Weil sie eben keinen öffentlichen Wutausbruch haben dürfen. Weil Ihnen zu Hause die Leviten gelesen werden, wenn sie sich verhalten wie Kinder. Wenn sie zu laut sind, zu nörgelig, zu anstrengend.
Das kommt auch bei uns vor. Das Nörgeln. Und Schreien. Oder wütend sein. Und nur, weil ich das hier verfasse bedeutet das nicht, dass meine Kinder mich nicht in den Wahnsinn treiben können. Im Gegenteil. Das schaffen sie oft. Aber eben genau das ist der Punkt. Sie dürfen das. Ausflippen. Toben. Wütend sein. Weil sie Kind sind.
Mein Fazit
Auch ich beobachte mich dabei, wie es mir manchmal unangenehm wird, wenn das Kind im Supermarkt bockt oder einfach mal wieder viel zu laut ist. Es soll hier auch nicht der Eindruck entstehen, dass meine Kinder machen könne, was sie wollen. Es gibt Tage, da hält man es besser aus und Tage, da geht es gar nicht. Das Ruhe bewahren. Aushalten. Kind sein lassen.
Meine Kinder haben Grenzen. Grundsätzlich aber versuche ich immer öfter, die Welt auch aus Kinderaugen zu sehen. Zu begreifen. Zu hinterfragen. Das gibt mir oft die Möglichkeit, mehr zu verstehen. Manchmal passiert das sofort und oft erst viele Stunden nach einer Auseinandersetzung oder einem Vorfall.
In den letzten Monaten bin ich entspannter geworden. Ich bin lockerer, wenn es um bestimmte Dinge geht. Weil ich mir immer wieder sage, dass es meine Kinder sind. Und, dass sie das auch sein sollen. Kind. Es bedeutet nicht, dass ich nicht schimpfe, nicht aus der Haut fahre oder nicht auch wütend werden kann.
Ich werde diese Zeit vermissen, wenn die Kinder größer sind. Es geht einfach viel zu schnell vorbei. Das Leben. Und ich wünsche mir sehr, dass meine Kinder sich an eine kindgerechte, bunte und auch dreckige Kindheit erinnern. Wir sind keine „Nutellagesichter“ und werden es auch nie. Wir sind die Chaosfamilie.
Wie ist das bei Euch? Kennt ihr „Nutellagesichter“? Wie seht ihr das? Sind Kinder immer sie selbst? Oder verkörpern sie in vieler Hinsicht die Erwartung der Eltern?
Eure Chaos & Queen
2 comments
Da hast du wiedermal sehr vieles auf den Punkt gebracht… Nutella-Gesichter ist ein witziges Pseudonym für solche Leute!
Ich glaube, die kennt jeder;-) ich nenne sie manchmal „weichgespült“… obwohl ich seeeeehr vorsichtig bin, Menschen zu bewerten!! Jede Jeck is anders… u dass soll u darf auch so sein…
Authentisch sein finde ich z.B. total wichtig! Niemand kann sich ganz frei machen von „Was denken dann die anderen?“ – aber man selbst sein dürfen (ob als Kind oder auch später) sollte doch immer wichtig sein :-) und wenigstens manchmal sollte es doch einfacher sein, was „die anderen“ von einem denken…
Als Essenz aus deinem Artikel möchte ich mir wieder deutlich öfter vornehmen, entspannter zu werden (ich stresse mich nämlich häufig viel zu sehr selbst…), und auch unsere/meine Kinder noch öfter Kind sein zu lassen um dadurch auch vieles entspannter sehen u betrachten zu können.
Da gebe ich dir recht…lieber ein Kind was sich dreckig machen darf… und auch trotzig sein Willen durchsetzen darf mit Schuhen( bei uns war es mal Wintergummistiefel )…es gibt nicht nur wie du es gut beschrieben hast….nutella Gesichter!!!