Als ich noch kinderlos war, habe ich oft Familien beobachtet. In vielen Fällen hatte ich sogar eine Art Mitleid. Mitleid wegen des turbulenten Treibens, der Lautstärke, des Stressfaktors. Dabei taten mir einfach die Eltern oft leid. Sie wirkten überfordert und oft hilflos. Ja manchmal machte sich sogar das Gefühl breit, dass sie dort gar nicht sein wollen, wo sie sind.
Aber heute
Heute sehe ich das ein wenig anders. Denn heute bin ich selber Mutter. Ich weiß, dass das Leben als Eltern nicht einfach ist. Aber ich weiß auch, dass ich es mir ausgesucht habe. Und nur, weil ich in einzelnen Situationen mal den Schweiß auf der Stirn stehen habe oder mit einer bestimmten Situation überfordert bin, heißt es nicht, dass ich lieber in meinem alten Leben wäre.
Natürlich überkommt einen dieser Gedanke ab und zu. Und natürlich wünscht man sich Einiges zurück. Zumindest zeitweise. Aber seien wir ehrlich: Sobald wir genau das hätten, wünschen wir uns unsere Kinder zurück.
Selten erlebe ich einen Nachmittag ohne Kinder. Ab und zu spielt das Chaosmädchen bei einer Freundin oder einem Freund. Und ja, manchmal habe ich tatsächlich Probleme, diese Zeit sinnvoll zu nutzen. Weil ich einfach nicht gewohnt bin, diese Zeit zu haben.
Das Pärchen am Nachbartisch
Und dann saß da dieses kinderlose Pärchen am Nachbartisch im Eiscafé. Verliebt. Allein. Gemütlich.
Unser Familiennachmittag im Eiscafé war auch gemütlich. Nur eben anders gemütlich als am Nachbartisch.
Ich meine, es lief echt gut. Das Chaosmädchen hat ihr Eis gegessen. Dabei ging nichts zu Bruch, es gab keine Wutausbrüche und auch sonst keine Aufsehen erregenden Ausflipper. Es war ruhig und harmonisch. Für uns.
Für uns ist es normal, dass wir ständig im Dialog mit dem Chaosmädchen stehen. Dass wir sie darauf hinweisen, dass sie mit dem Glasteller ein wenig aufpassen soll. Dass sie gerade mit dem Ärmel in der Schokoladensauce hängt. Für uns ist es normal, dass wir an einem Familientag nur schwer private Gespräche unter uns Eltern führen können. Das Chaosmädchen muss Pipi, die Miniqeen hat die Windel voll. Irgendwas ist immer. Das ist Alltag.
Die Miniqueen war enspannt. Das Chaosmädchen fütterte sie mit Eis. Bis sie entschied, damit aufzuhören. Das fand die Miniqueen dann weniger komisch und protestiert. Laut. Das Pärchen am Nachbartisch fand es glaube ich eher lustig. Sie schienen amüsiert.
Mitleid
Und doch konnte ich in Ihren Augen ein wenig von dem Mitleid sehen, dass ich damals auch verspürte. Heute frage ich mich: Wofür eigentlich? Natürlich verzichtet man auf Dinge, wenn man Familie hat, und in vielen Situationen verzichtet man auch einfach auf sich selbst. Aber Kinder geben einem nach wie vor einfach viel mehr, als sie einem nehmen.
Vielleicht war das Pärchen auch froh, alleine nach Hause zu gehen, ohne „Familienidylle“, dafür mit tiefsinnigen Gesprächen. Ohne Unterbrechung.
Für Andere mag es ungemütlich aussehen, für uns ist es schon fast normal, dass einer von uns beiden sein Eis, seinen Kuchen oder was auch immer nicht in Ruhe essen kann. Es wäre schon fast Luxus, sollte das mal so sein.
Ich habe mich wirklich gefragt, wie unser Alltag auf das Pärchen gewirkt hat.
Die Miniqueen schrie. Während der Chaosmann der Miniqueen eine Flasche machte, aß ich ein wenig meiner Waffel. Die Flasche wechselt über den Tisch zu mir. Die Miniqueen trinkt bei mir. Anschließend wechselt die Miniqueen über den Tisch zum Papa. Der Chaosmann und ich arbeiten dabei Hand in Hand. Oft ohne viele Worte.
Dass meine Bergische Waffel zwischenzeitlich kalt geworden ist nehme ich kaum wahr. Wir haben zwei glückliche Kinder im Gepäck. Und wir haben uns. Vielleicht nicht so kuschelig, innig und intensiv wie am Nachbartisch. Und ein wirkliches Gespräch konnten wir auch nicht führen.
So sieht er nun Mal aus- ein entspannter Besuch mit der Familie im Eiscafé. Klingt komisch. Ist aber so. Denn die Sichtweise auf den Begriff „entspannt“ hat sich über die Jahre und mit dem Familienalltag ein wenig gewandelt.
Ich gebe aber zu, dass ich das Pärchen kurz ein wenig beneidet habe. Um ihre Ruhe am Tisch. Um diese Zweisamkeit. Und schon im nächsten Moment empfinde ich ein Stück Mitleid. Weil sie das Glück der Kinder nicht kennen.
Ich hoffe, auch dieses Pärchen entscheidet sich für Kinder. Irgendwann.