Während ich diesen Beitrag schrieb weinte ich. Ich weinte Tränen der Verzweiflung und der Ratlosigkeit. Der Wut und der Trauer. Ein wenig waren es auch Tränen der Enttäuschung. Enttäuschung darüber, dass ich momentan nicht die Mutterrolle erfülle, die ich eigentlich erfüllen möchte. Trauer darüber, diese Zeit des Jahres nicht ausreichend genießen zu können. Besinnlichkeit wo bist Du nur?
Besinnlichkeit – wo bist Du nur?
Ich sehe all diese schönen Bilder auf Instagram und träume von Harmonie und Besinnlichkeit. Überall scheint es gemütlich, harmonisch und manchmal schon fast kitschig schön. Nur hier nicht. Alle sprechen von Gemütlichkeit. Entschleunigung. So sehr ich es auch versuche, es mißglückt mir. Die Besinnlichkeit findet den Weg nicht. Sie hat sich vermutlich auf dem Weg zu uns verlaufen. Oder ist weggelaufen. Vor den Kindern. Meinen Kindern. Und wisst ihr was? Ich kann es ihr noch nicht einmal verübeln.
In der Vorweihnachtszeit scheint bei uns der Wurm drin. Wenn man es nüchtern betrachtet, kann man das sogar verstehen. Gerade erst ist St. Martin vorbei, da geht es auch schon weiter. Im Jahresprogramm. Den Pflichtveranstaltungen des Lebens.
Der Nikolaus kommt. Manchmal mehrfach. Natürlich ist das aufregend. Es werden Wunschzettel und Briefe ans Christkind geschrieben. Unsere Weihnachtsfee ist wieder eingezogen, wir gehen auf Weihnachtsmärkte und alle sprechen vom Christkind.
Das Chaosmädchen bereitet in der Kita einen Überraschungsnachmittag für uns Eltern vor und ist furchtbar aufgeregt. So viele Dinge prasseln in diesen Tagen auf meine Kinder ein. Wer kann es ihnen und all den anderen Kindern verübeln, dass sie ein wenig über die Strenge schlagen? Klingt ja auch alles ganz nachvollziehbar.
Meine Tränen sind echt
Es geht auch nicht darum, dass ich das nicht verstehen kann. Denn wenn ich reflektiere, dann verstehe ich das nur zu gut. Meine Güte, was haben die Kinder im Dezember alles zu verknusen in ihren kleinen Köpfen!
Aber wisst ihr was? Meine Tränen. Die sind echt. Ich bin erschöpft. Seit Wochen benimmt sich das Chaosmädchen schrecklich. Es tut mir in der Seele weh, eben diese Worte auszusprechen oder zu schreiben. Immerhin rede ich über mein Kind. Mir gegenüber, Ihrem Vater, Ihrer Schwester und einfach grundsätzlich benimmt sie sich aktuell einfach selten gut. Eher unmöglich. Völlig aus der Bahn geworfen. Vielmehr so, als hätte es nie eine solche gegeben.
Das Chaosmädchen springt durch den Tag wie ein Duracellhase auf Drogen. Sie kann nicht mehr ruhig am Tisch sitzen und schlingt ihr Abendbrot in sich hinein als gäbe es kein Morgen mehr. Dabei sitzt sie nur mit ihrem halben Hinterteil auf der Stuhlecke. Immer auf der Flucht. Immer in Bewegung. Völlig überdreht.
Zucker
Zwischenzeitlich fanden wir eine ebenfalls einleuchtende Erklärung für ihr Verhalten: die Überdosis Zucker der letzten Wochen. Denn neben all der Aufregung, die die Vorweihnachtszeit mit sich bringt gibt es vor allem noch eins: Viel Zucker. Unser Adventskalender ist dieses Jahr minimalistisch gefüllt. Das finde ich auch gut. Wir versuchen, den Konsum zu Hause einzugrenzen. Und dennoch ist es mehr als sonst.
Mittlerweile sind wir allerdings zu der Erkenntnis gekommen, dass es egal ist, wie viel Süßkram das Chaosmädchen isst. Das Verhalten bleibt das Gleiche.
Hilfe ich bin Mutter
Manchmal schreit sie mich an. Schlägt mich. Manche Reaktionen kann ich nachvollziehen, andere nicht. Abends reflektiere ich und verstehe viel. Aber nicht alles. Groß werden ist anstrengend sagt eine Freundin. Das stimmt. Für mich aber auch.
Wackelzahnpubertät, Vorschulkind. Alles schon gehört und es leuchtet auch ein. Neulich aber hörte ich die Worte: „Es ist doch immer irgendwas. Im Sommer ist es warm. Im Winter zu kalt. Es sind die Wackezähne, das Vorschulalter, ein Pups quer. Es gibt immer einen Grund.“ Stimmt.
All das macht es aber nicht einfacher. Erst vor einigen Tagen schmiss das Chaosmädchen rücklinks mit Duplosteinen um sich. In unserem Wohnzimmer. In Richtung des Fernsehers. Ich reagierte. Schnell. Und deutlich. Sie hörte nicht auf. Auch nicht, als ich lauter und energischer wurde. So läuft das. Mit der Besinnlichkeit. Bei uns. Nämlich gar nicht. Es ist egal, was ich sage, sie hört nicht.
Vielleicht wäre ich entspannter, wenn es nur das Chaosmädchen gäbe. Da gibt es aber auch noch die Miniqueen. Auch sie hat Bedürfnisse. Aber während das Chaosmädchen ihr schlecht gelauntes Programm abspielt, steckt die Miniqueen ebenfalls in einer Phase. Sie schreit – manchmal stundenlang. Für mich unerklärlich. Und wenn sie nicht scheinbar grundlos schreit, dann hat sie einen Wutanfall. Weil sie die Mütze anziehen will, um sie dann doch wieder auszuziehen, weil sie die Schuhe doof findet, ohne aber kalte Füße bekommt. Weil es auch bei ihr einfach immer einen Grund gibt.
Ruhezeiten
Einige sagen, die Kinder brauchen mehr Ruhezeiten. Doch sind wir selten mehr zu Hause als in den letzten Wochen. Ich glaube nicht, dass meine Kinder mehr Ruhe brauchen. Und mal ehrlich, wie soll das denn in der Praxis gehen? Denn auch der Kindergarten trägt seinen Anteil bei. Auch dort basteln die Kinder Geschenke für die Eltern, empfangen den Nikolaus oder sprechen über Heiligabend. Die vorweihnachtliche Aufregung von meinen Kindern fern zu halten finde ich unmöglich. Ich kann mir keinen Urlaub nehmen und mich mit den Kindern zu Hause einschließen, damit sie sich entspannen in dieser trubeligen Zeit des Jahres. Diese trubelige Zeit, in der es eigentlich besinnlich und ruhig zugehen soll.
Wir sind oft zu Hause, genießen Spielnachmittage oder auch mal den Fernseher, wir basteln gemeinsam oder lesen. Wir machen es uns gemütlich und sind einfach nur da. Zusammen. Und doch ist es nicht genug. Als Mutter empfinde ich es manchmal undankbar.
Wie geht das mit der Ruhe?
Neben den Auseinandersetzungen und dem Alltag mit den Kindern gibt es auch noch meinen neuen Job und einen Mann und die Suche nach den passenden Geschenken, das Verschicken der Weihnachtskarten, die auch geschrieben werden müssen. Wir packen Weihnachtspäckchen und überlegen uns die richtigen Geschenke. Das Weihnachtsessen muss überlegt werden, weil spontan Einkaufen an diesen Tagen eben einfach nicht geht. Die Weihnachtszeit ist schön. Aber stressig.
Und dann sind sie da
Diese Momente. Herbert Grönemeyer nennt es „Sekundenglück“. Diese Momente, in denen es still wird. Weil meine beiden Kinder miteinander spielen. In Harmonie. Ganz bei sich und zuckersüß. Dann fragt das große Mädchen ihre Schwester, was sie spielen möchte, nimmt sie in den Arm und sagt „Meine kleine Schwester!“.
So einen Nachmittag hatte ich gestern. Zwar habe ich es nicht geschafft, mir einen Kaffee in Ruhe zu gönnen. Aber ich konnte Geschenke einpacken, ein paar Basteleien fortführen und meinen Kindern beim Spielen zusehen. Besinnlichkeit.
Es sind viel mehr Momente als es scheint. Es sind die Schneeballschlachten vor der Haustüre, das Lebkucheneinhorn auf dem Weihnachtsmarkt. Ein Glühwein mit dem Chaosmann, während die Mädels glucksend über den Platz rennen.
Sie laufen Hand in Hand durchs Haus. Kochen gemeinsam in der Spielküche oder spielen Prinzessin und Königin. So geschehen heute Morgen. Da haben sie mich ziemlich aus dem morgendlichen Rhythmus gebracht, vor 6 Uhr. Aber als sie da so spielten, miteinander, gemeinsam, vertraut und glücklich, da war ich es auch. Und ich spürte Liebe. Und Besinnlichkeit.
Wie ist das bei Euch?
Eure Chaos & Queen
3 comments
Kenne ich auch zu gut… Fühle mit euch – und mir selbst…
Es ist schön zu wissen, dass man nicht die Einzige ist, die bisher noch nicht erfolgreich war – auf der Suche nach der Besinnlichkeit.
Liebe Kerstin, das stimmt. Geht mir auch so. Ich hatte gehofft, wir haben ein paar mehr Leidensgenossen ;-)