„Die Pflege ist am Arsch“. Das hat Alina in Ihrem aktuellen Beitrag ganz wunderbar getroffen. Das Thema. Die Aussage. Und auch meinen Nerv. Das deutsche Gesundheitssystem. Eine Katastrophe.
Auch ich möchte schon seit längerem auf die Missstände in unserem Gesundheitssystem aufmerksam machen. Mein ausgiebiges Gespräch mit Alina auf der Blogfamilia hat mich dazu ermutigt und ihr Beitrag hat mich sehr gerührt. Die Pflege in Deutschland ist am Arsch!
Das ist halt so
Auch mich hat das Thema nie wirklich tangiert, weil ich keine Berührungspunkte hatte. Ich habe die Dokumentationen von Wallraff in verschiedenen Seniorenheimen gesehen und war empört. Heute ist das anders. Viele von Euch wissen, dass mein Vater vor kurzer Zeit selbst im Krankenhaus lag. Eigentlich ein Routineeingriff. Umso schlimmer.
Tagtäglich war ich geschockt. Die Pfleger gaben sicher ihr Bestes. Doch es reichte nicht. Nicht für jeden Patienten. Nicht gleichermaßen. Ich habe viel gegrübelt. Auch geweint. Es hat mich wirklich sehr getroffen. Der Zustand im Krankenhaus. Auch in Gesprächen mit Freunden habe ich die Problematiken angesprochen, darauf aufmerksam gemacht.
Die Meisten reagierten mit „Das ist halt so!“. Ich könnte aus der Haut fahren und kann es nicht mehr hören. Das ist halt so? Euer Ernst? Was, wenn es Euch erwischt. Oder Eure Eltern?
Die Aufklärung
Es geht dabei auch nicht nur um den Patienten. Auch um die Angehörigen. Wir zum Beispiel waren völlig überfordert mit dem postoperativen Zustand meines Vaters. Weil niemand uns erklärte, woher der schlechte Zustand nach der OP rührte. Niemand nannte das Wort „postoperatives Delir“. Niemand klärte uns auf oder beruhigte uns. Es herrschte Alltag im Krankenhaus. Für das Personal ein alltäglicher Anblick. Keine Zeit für aufklärende Gespräche.
Obwohl ich sicher bin, dass Ärzte und Pflegepersonal gute Arbeit leisteten. Leisten wollten. Geleistet hätten, wenn man sie lassen würde. Mit mehr Zeit. Mehr Personal.
Ausgeliefert
Sobald Du im Krankenhaus eingewiesen bist, bist du dem System ausgeliefert. Du kannst nichts dagegen tun. Jeder, der noch selbst in der Lage ist für sich zu sprechen und seine Rechte einzufordern, kann sich glücklich schätzen. Viele Menschen in der Altenpflege oder auch im Krankenhaus können das nicht.
Sie sind machtlos. Ausgeliefert. Dem deutschen Gesundheitssystem. Dem Personalmangel. Dem mangelnden Fachwissen.
So kommt es, dass Patienten ans Bett fixiert werden, obwohl das scheinbar nur in Ausnahmefällen zulässig ist. Aber wisst ihr was? Diese Patienten sollen klingeln, wenn sie Hilfe benötigen oder gar auf Toilette müssen. Der Pieper für die Schwestern ist aber meilenweit von der Hand des Patienten entfernt. Was wird also passieren?
Der Personalschlüssel
Sicher gibt es unter den Angestellten auch schwarze Schafe. Aber grundsätzlich unterstelle ich den Mitarbeitern keine Böswilligkeit. Ich gehe davon aus -als gutgläubiger Mensch- dass alle Krankenpfleger/innen Ihren Job mit bestem Wissen und Gewissen machen.
Leider wurde der Personalschlüssel überall so zurückgefahren, dass Patienten oft nicht zeitintensiv genug betreut werden können. So erklärte man mir, dass orientierungslosere Personen teilweise nachts gewaschen werden, weil der Personalschlüssel in der Frühschicht einfach nicht reicht.
Was bedeutet das? Die kriegen eh nix mit, da können Sie auch nachts gewaschen werden? Was ist mit der Würde des Menschen? Und mit der Nachtruhe?
Ein Patient ist fit, im Kopf völlig gesund. Er klingelt. Muss auf die Toilette. Niemand kommt. Er klingelt erneut. Niemand kommt. Es passiert, was passieren muss. Auf der Station niemand zu sehen. Das Bett wird frisch bezogen, für den Patienten ist keine Zeit. Er wird nicht gewaschen. Verdammt! ER WIRD EINFACH NICHT GEWASCHEN! Wie erniedrigend ist es, in seiner eigenen Scheisse zu sitzen? Und jetzt sagt mir: Das ist halt so?
Es kommt noch besser. Den oft bekommen Patienten Pampers angezogen. Weil das Personal es nicht bewerkstelligen kenk, zeitnah zu kommen, wenn ein Patient klingelt, der auf die Toilette muss. Findet ihr das normal? Ist das eine würdige Behandlung?
Einem Patienten mit Rückenleiden, der nur liegen kann, wird eine Schale Suppe hingestellt mit den Worten „Guten Appetit“. Ernsthaft? Armes Deutschland. Armes Gesundheitssystem.
Wir müssen etwas tun
Die Haltung von „Das ist halt so“ geht mir so sehr auf die Nerven. Ich möchte in diesem, unserem System nicht alt oder krank werden. Ich habe Angst vorm Krankenhaus, vor der Pflege. Es ist oft nicht menschenwürdig und Vieles von dem, was ich selbst gesehen oder gehört habe ist ekelerregend. Aber das ist unser Land. Unser System.
Vielleicht finden wir gemeinsam einen Weg, dagegen vorzugehen. Etwas zu ändern. Und wenn wir Blogger einfach wieder und wieder und wieder auf diese Zustände aufmerksam machen. Lasst uns einen Hashtag finden. Uns vernetzen. Gemeinsam statt allein. Einen Stein ins Rollen bringen. Augen öffnen.
Gerne veröffentlichen Alina und ich Eure Gastbeiträge oder Interviews zu dem Thema. Teilt Eure Erfahrungen mit uns uns der Welt. Es darf so nicht bleiben!