Es gibt Tage, da schimpfe ich viel. Ich bin genervt von mir selbst. Davon, nicht genug Geduld aufzubringen. Aber, wie siehst Du das?
War das ein guter Tag?
Ich sitze traurig auf dem Sofa und lasse den Tag Revue passieren. Du und Deine Schwester, ihr zwei schlummert tief und fest. Was sehe ich, wenn ich auf diesen Tag zurückblicke? Natürlich sehe ich, dass es gleich am Morgen beim Anziehen Streitereien gab. Du wolltest nicht so wie ich es gern gehabt hätte und ich habe in Deinen Augen wohl auch nicht richtig funktioniert. Es ärgert mich auch am Abend noch, dass ein Tag gleich so gestartet ist und ich nehme mir fest vor, dass es Morgen anders wird. Leider habe ich das nicht immer in der Hand. Aber ich bemühe mich. Ich hinterfrage, ich reflektiere. Und ich möchte Veränderung.
Was wirklich zählt
Ich sehe aber auch Deine Umarmung und Deinen Kuss voller Liebe, bevor es in die Kita geht. Ich sehe Dein Lächeln als ich Dich abhole.
Einen gemütlichen Nachmittag wollten wir uns machen und Waffeln backen. Das hast Du Dir gewünscht. Das brauchst Du auch nach trubeligen Tagen. Dein Zuhause, ein wenig Ruhe und auch ein wenig Mama. Natürlich war es nicht schön, dass ich Dich mehrfach bitten musste, die Hände zu waschen. Und es war auch nicht schön, dass Du ständig in der Teigschüssel hingst mit Deinen Fingern. Jetzt am Abend lächle ich. Genau darüber. Du bist ein Kind. Mein Kind. Und natürlich hast Du Deine Finger in der Teigschüssel. Verdammt, was habe ich das Backen als Kind geliebt. Nicht wegen des Kuchens oder der Waffeln, sondern Einzig und Allein wegen der Mixstäbe und des Teigs. Ich verstehe Dich. Und ärgere mich, dass ich geschimpft habe. Es war unnötig.
Am Ende des Tages aber sehe ich aber auch etwas Anderes. Uns. Viel mehr, als diese kleinen Auseinandersetzungen. Ich sehe uns, wie wir in der Küche standen. Wir mussten so lachen, als Du ein Ei aufschlagen wolltest und es einfach nicht in der Schüssel landen wollte. Wir konnten sagen „nicht schlimm“, als das Kakaopulver auf dem Tablett, aber nicht in Deiner Tasse landete.
Natürlich lief nicht alles nach Plan und zwischendurch war es turbulent oder laut oder unentspannt. Das Picknick im Wohnzimmer war schön und entspannt. Zumindest für einige Momente. Zwischendurch habe ich mich gefragt, wie das bei all diesen „Instamoms“ so aussieht. Dann, wenn perfekte Bilder von Momenten gepostet werden. Sind diese Momente dann genauso perfekt, wie meine? Oder perfekter? Bleiben diese Kinder stundenlang brav auf der Picknickdecke sitzen, kleckern nicht und sind einfach dauerhaft zuckersüß? Sicherlich nicht.Abends habe ich diese unentspannten Momente vergessen. Da sehe ich Mutter und Tochter mit einem Lächeln vor mir. Wie wir lachen, weil ich die Waffel nicht aus dem Waffeleisen bekomme, wie Du mich mit Deiner Kakaoschnute angrinst, die Picknickdecke im Wohnzimmer ausbreitest und Dich einfach nur freust. Auf diese Zeit mit mir.
Du hast ein Spiel aus dem Schrank geholt und wir haben es uns mitten im Wohnzimmer gemütlich gemacht. Deine Schwester war mit dabei. Mal wach und mal am Schlafen. Gestört hat sie nicht. Du hast sie gekuscheln, beruhigt und angeschaut. Ja, manchmal hast Du auch mit ihr geschimpft. Aber auch sie wird abends im Bett liegen und sich viel mehr daran erinnern, dass wir alle zusammen waren. Und gelacht haben. Voller Liebe füreinander.Du wirst momentan früh müde und so wurde es später etwas unruhiger und ich wurde zunehmend unentspannt. Das tut mir leid. Aber sag mir, woran erinnerst Du Dich?
Daran, dass ich geschimpft habe? Dass wir das Spielen beendet haben? Oder daran, wie viel Spaß wir hatten? Daran, dass Du draußen einen Radschlag üben wolltest und ich es Dir vorgemacht habe? Dass ich mich dabei fast auf die Nase gelegt habe und Du es urkomisch fandest? Wir mussten beide lachen.
Erinnerst Du Dich, dass Du geschimpft hast, weil es nicht auf Anhieb klappte, oder erinnerst Du Dich, dass Mama Dir versucht hat dabei zu helfen, Dir erklärt hat, dass man Dinge üben muss, bevor man sie kann. Erinnerst Du Dich an diesen innigen Moment auf meinem Schoß, als ich Deine Tränen trocknete, Deine Arme um meinen Hald geschlungen?
Sag mir, woran erinnerst Du Dich?
An vielen unserer Tage frage ich mich, was wohl bei Dir hängen bleibt, in deinem kleinen Köpfchen. Wenn ich Dich abends frage, was besonders schön war, hast Du immer eine Antwort. Manchmal sagst Du: Ich fand alles toll! Die Dinge, die nicht so schön waren, fallen Dir oft gar nicht ein. Ich hoffe deshalb sehr, dass meine Wahrnehmung von Schimpfen und Streng sein eine ganz andere ist, als Deine.
Weißt Du, Mama sein ist wirklich nicht immer einfach. Eines Tages wirst Du das verstehen. Ich gebe mein Bestes, tagtäglich aus dem zu lernen, was wir erleben und von Tag zu Tag besser zu werden. Als Mutter. Ich möchte, dass Du Dich immer erinnerst, dass Du mit viel Liebe aufgewachsen bist. Dass dort immer jemand war, bei dem Du Dich geborgen gefühlt hast. Das Wort sollte ich Dir gestern erklären. Und ich hoffe, Du wirst Dich immer beschützt und behütet fühlen bei Deinen Eltern. Ein Ort, an dem Du sein kannst, wie Du bist.
Wenn Du groß bist erwachsen bist, dann möchte ich, dass Du Dich erinnerst. An viele schöne Momente. An eine Kindheit mit viel Lachen. An mich als eine liebende Mutter.
Ich möchte, dass Du Dich erinnerst. An uns. Und eine schöne Zeit.Also sag mir, woran erinnerst Du Dich mein Chaosmädchen?
Deine Chaosmama
5 comments
[…] ist eine ganze Weile her, dass ich Dir hier ein paar Zeilen gewidmet habe. Also, so ganz persönlich. Von mir. An […]
Hallo Jule, dein Text trifft mich ins Herz! Ich habe auch zwei Mädchen genau im gleichen Alter. Der Alltag ist oft turbulent und läuft selten wie gewünscht. An Viel-Schimpfe-Tagen sitze ich abends manchmal weinend da und frage mich genau das: An was werden sie sich später mal erinnern?! Danke für deinen ehrlichen Text und die Erkenntnis, dass es kein Mangel meinerseits ist, sondern wohl eher der ganz normale Mama-Liebes-Alltagswahnsinn!!!
Liebe Kat, es freut mich immer sehr, wenn Leser sich über meine Texte freuen und sich wiederfinden, ja vielleicht danach sogar ein Stück besser fühlen, weil sie wissen, dass sie nicht alleine sind! Mir geht es ja auch oft so.
[…] dass ich sie dolle lieb habe. Sie fand den Tag übrigens ganz toll. Kinder haben da oft eine ganz andere Sichtweise. Ich erzähle dem Chaosmädchen auch, dass ich heute sehr müde war und es ziemlich anstrengend […]
Wow. Mir fehlen die Worte. Das ist wunderschön. Ich liebe deine Texte. Ich sollte mich auch mal hinsetzen und einen Brief an unser Töchterchen schreiben. Gerade im Moment können wir das bestimmt gut brauchen 😘