Ich schwöre ja immer noch sehr auf das Krankenhaus, wo ich damals das Chaosmädchen bekommen habe. Die Leute, die familiäre Atmosphäre. Alles. Deshalb werde ich voraussichtlich auch diesmal wieder dort entbinden.
Was mir damals leider wirklich fehlte, war die Hilfe beim Stillen ab dem Moment nach der Geburt. Zwar wurde Tilda gleich im Kreißsaal angelegt, weil sie direkt nach der Brust suchte. Allerdings wurde ich einige Zeit später mit dem Neugeborenen aufs Zimmer gefahren. Und da saß ich dann alleine und dachte: „Krass. Jetzt bin ich Mutter. Und jetzt? Was muss ich jetzt eigentlich tun? Wie geht es weiter? Muss ich jetzt nochmal stillen?“. Es fehlte mir, dass eine helfende, fachmännische Hand kam und mir erklärte, wie es denn nun -vor allem in Sachen Stillen- weiterläuft.Mittlerweile haben einige Freunde von mir dort entbunden, die genau gegenteilig berichteten. Nämlich, dass die Stillhilfe Ihnen am Ende fast schon zu aufdringlich war, weil man immer und immer wieder nachschaute, ob alles läuft und ob es Fragen gibt.
Das hätte ich mir damals so gewünscht. Stattdessen probierte ich laienhaft aus. Ich zog das Chaosmädchen von der Brust wie eine Anfängerin (die ich ja nun auch war) und hatte das Gefühl, es klappt einfach nicht richtig. Als dann nachts der Milcheinschuß kam war ich völlig überfordert, hatte große Schmerzen und war völlig sprachlos, zu was ein weiblicher Körper im Stande ist.
Zwar hat das Chaosmädchen am Ende gut getrunken und ich hatte wirklich mehr als genug Milch. Trotzdem entzündeten sich damals meine Brüste so schmerzhaft, dass ich früher als geplant das Stillen beendete. Es war einfach nicht mehr schön. Leider. Die Schmerzen waren unerträglich und die Brustentzündungen am Ende pausenlos.
Dabei war das Stillen mir so wichtig. Ich hatte einfach das absolute Bedürfnis, mein Kind stillen zu wollen. Ich weiß, dass es da ganz unterschiedliche Mütterarten gibt. Für Manche ist Stillen einfach nichts. Für mich schon. Zumindest hatte ich das Gefühl, dass sowohl ich, als auch mein Chaosmädchen das brauchen. Wenn es dann aber zu solchen Dramen kommt, wie es bei mir der Fall war und man einfach nur noch hilflos ist und alle Versuche scheitern, dann sollte man an sich denken. Es gibt eben auch in solchen Situationen nicht nur noch das Baby, sondern auch immer noch die Mama, aber auch die Frau und den Menschen: MICH.Heute bin ich der Überzeugung, dass es besser hätte laufen können, wenn ich mir direkt Hilfe gesucht hätte oder diese vor Ort ungefragt angeboten bekommen hätte.
Meine Hebamme leistete wunderbare Hilfe, wo immer Sie konnte, aber ich glaube, das Kind war einfach schon in den Brunnen gefallen.
Diesmal möchte ich es richtig machen und habe dazu das Gespräch mit Anna gesucht. Anna lernte ich als Blogleserin während meiner Schwangerschaft mit dem Chaosmädchen kennen und auch Sie half mir bei meinen Stillproblemen, wo sie konnte. Diesmal möchte ich Sie allerdings vorher um Rat bitten und habe mich mit Ihr auf einen gemütlichen Kaffee getroffen. Anna ist nämlich Stillberaterin im Raum Köln. (Hier gehts zu Annas Homepage)
Als ich Anna kennenlernte, wohnte sie noch in Köln. Mittlerweile wohnen wir beide in Bergisch Gladbach und -wie der Zufall es will- gehen unsere Kinder in die gleiche Kita.
Liebe Anna, ich freue mich, Dich heute zu treffen. Schön, dass Du Dir Zeit nimmst.
Erzähl mal Anna, wer bist Du und was machst Du so?
Ich arbeite seit 2014 als Psychologische Beraterin und Stillberaterin in Köln und Umgebung. Zusammen mit meinem Mann und unserem Sohn wohnen wir, wie Du, vor den Toren Kölns.
Was machst Du, was eine Hebamme nicht kann?
Eigentlich nichts. Nur habe ich einen ganz klaren Schwerpunkt in meiner Beratung. Ich bin spezialisiert auf Fragen rund ums Thema Stillen. Und auch die Psyche spielt eine große Rolle. Ich sehe die Situation, in die ich gerufen werde, stets ganzheitlich: Wie geht es den Eltern in ihrer neuen Rolle? Ist es das erste oder zweite Kind? Wo braucht die Mutter Unterstützung, um sich auf das Stillen konzentrieren zu können etc. Ich suche nach Lösungen, damit sich alle wohlfühlen können.
Wieso kontaktieren Dich Frauen?
Die Frauen, die mich kontaktieren haben ganz unterschiedliche Anliegen. Viele kontaktieren mich wegen wunder Brustwarzen. Andere wiederum weil sie das Gefühl haben, das Kind bekommt zu wenig Milch. Auch beim Start in die Beikost gibt es viele Fragen oder wenn es um das Thema Abstillen geht. So wie wir uns einen schönen Stillstart wünschen, soll auch der Abschied vom Stillen gestaltet sein. Das ist vielen Müttern ein besonderes Bedürfnis.
Und, kontaktieren Dich auch Männer? Welche Anliegen haben sie?
Es gibt viele Partner, die für ihre stillenden Frauen anrufen. Das rührt mich immer sehr. Diese Anteilnahme und auch die Entlastung, die sie ihrer Partnerin zukommen lassen wollen. Meist stellen sie den ersten Kontakt her und danach telefoniere ich mit den Müttern im Detail, um das genaue Anliegen zu erfragen.
Glaubst Du, dass alle Frauen stillen können, wenn sie wollen und man es von Beginn an richtig angeht?
Bis auf einige Ausnahmen, natürlich ja. Durch eine gute Begleitung unmittelbar nach der Geburt, können die Weichen für eine harmonische Stillbeziehung gelegt werden.
Bei mir lief ja damals so einiges schief. Kann man sagen, woran es gelegen hat? Ursachen gibt es doch sicher viele?
Wie Du selber vermutest, gehe auch ich davon aus, dass sich bei Euch nach der Geburt einige Dinge eingeschlichen haben, die das Stillen problematisch gemacht haben. Da wir uns ja nun schon eine Weile kennen, weiß ich, dass Du ein sehr aktiver Mensch bist. Dieser Alltagsstress kann mitunter auch ein Grund sein, weshalb es beim Stillen Probleme gibt. Darüber hinaus ist das Leben mit Baby auch einfach neu, der Alltag muss sich erst wieder finden. Zu wissen, an wen man sich mit seinen Fragen wenden kann, kann eine große Entlastung darstellen. Ich bin davon überzeugt, dass Du beim zweiten Kind einen Bonus hast und einfach einige Dinge ganz anders angehen wirst.
Gesetzt den Fall, ich habe eine Traumgeburt, wie läuft das dann mit dem Stillen direkt nach der Entbindung und am 1. und 2. Tag so ab?
Dein Chaosmädchen Nummer 2 sollte idealerweise in der ersten Stunde nach Geburt angelegt werden. Grundsätzlich gilt immer, dass auf die frühen Hungerzeichen des Kindes geachtet werden muss.
Zu diesen zählt: Das Kind zeigt einen Suchreflex, dreht den Kopf hin und her, oder Dein Baby schmatzt oder leckt sich die Lippen, oder es ballt die Fäuste, saugt darauf. Zur Stufe zwei gehören glucksende Laute und zappelnde Bewegungen mit Händen und Füßen. Spätestens hier sollte das Baby bitte gestillt werden, denn darauf folgen Tränen und ein weinendes Baby muss erst beruhigt werden, bevor eine entspannte Stillmahlzeit möglich ist.
Wenn Dein Kind gerade in der ersten Zeit keine Hungerzeichen zeigt und viel schläft, solltest Du es bitte alle 2 Stunden wecken und anlegen. 10-12 Stillmahlzeiten sind völlig normal
Wann kommt der Milcheinschuß?
Das kommt natürlich ganz auf die Geburt an und variiert. Bei manchen Frauen geht das nach der Geburt sehr schnell, in der Regel dauert das ca. 2 bis 7 Tage. Zuvor wird Dein Baby durch das Kolostrum bestens versorgt. Sein Magen ist sehr klein, daher ist auch engmaschiges Anlegen notwenig und sinnvoll.
Bei mir war der Milcheinschuß fast schmerzhafter als die Geburt, weil ich extrem viel Milch hatte. Was ist dann zu tun?
Der Milcheinschuß ist in den meisten Fällen etwas schmerzhaft. Auch hier kommt es natürlich auf die Brust an und wie viel Milch einschießt. Du solltest Dein Kind dann direkt anlegen, damit die Brust sich etwas leert. Sollte der Milcheinschuß mitten in der Nacht kommen, solltest Du Dein Kind wecken und in jedem Fall anlegen.
Sollte die Brust auch nach dem Anlegen immer noch sehr voll sein und dadurch schmerzen, hast Du die Möglichkeit auszustreichen oder abzupumpen. Das entlastet die Brust.
Natürlich soll der Körper eigentlich lernen die Milchproduktion zu regulieren. Bedeutet, so viel Milch produzieren, dass Dein Kind satt wird. Um einen Milchstau zu vermeiden, kannst Du bei Bedarf die Brust ausstreichen und am Ende der Stillmahlzeit die Brust ein bisschen kühlen.
Ist Stillen denn anfangs immer mit Schmerzen verbunden?
Nein! Wenn das Stillen bereits anfangs schmerzt, sollte man auf jeden Fall noch einmal die Anlegetechnik überprüfen.
Und was hilft bei dem sehr häufigen Problem der wunden Brustwarzen? Ich hatte damals eine ziemlich fettige Creme. Die hat mir aber dauerhaft nicht wirklich geholfen.
Bei wunden Brustwarzen ist die Wundheilung extrem wichtig. Ebenso, die Anlegetechnik im Blick zu haben. In solchen Fällen ist der Besuch der Hebamme und / oder einer Stillberaterin durchaus sinnvoll.
Ich habe mich ein wenig belesen und da stand, dass man ein Kind anfangs auch alle 30 Minuten anlegen soll, weil das in den ersten Tagen so wichtig ist. Ich habe das Chaosmädchen gerne schlafen lassen, wenn sie glücklich und zufrieden war. War das falsch?
Viele Eltern denken, dass ein schlafendes Kind glücklich ist. Es ist aber in erster Linie so, dass das Kind ja im Mutterleib alles bekommt, was es braucht. Und zwar dauerhaft. Hungergefühl und Bedürfnisse nach Muttermilch müssen sich erst entwickeln. Manche Kinder schlafen zwar friedlich, sind deshalb aber nicht automatisch satt oder glücklich.
Sofern das Baby nicht die oben genannten frühen Hungeranzeichen zeigt, rate ich dazu, dass Baby mindestens alle 1,5- 2 Stunden aktiv die Brust anzubieten.
Hast Du sonst noch wichtige Tipps für uns?
Sicher kennst Du den Spruch „Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten!“ Und es stimmt. Du kannst nie genug Fragen stellen. Deiner Hebamme oder mir als Stillberaterin. Eltern sein ist auch ein stückweit „Training on the Job“. Wir lernen unser Baby und seine Bedürfnisse jeden Tag ein Stück mehr kennen. Wir lernen, es besser einzuschätzen und in kriseligen Situationen empathisch zu reagieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob es das erste oder zweite oder dritte Kind ist. Jedes Kind ist in seinem Wesen ganz besonders und individuell. Vieles wird Dir im Umgang mit dem Chaosmädchen 2 bekannt vorkommen, anderes völlig neu.. Lass Dich auf dieses Abenteuer ein mit Ruhe und Geduld für Dich, den Chaosmann, das Chaosmädchen 1, das nun große Schwester ist und das Chaosmädchen 2, das diese neue Welt erst einmal kennenlernen muss.
Liebe Anna, ich danke Dir für Deine Zeit und Deine vielen Informationen in unserem Gespräch. Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass es Frauen wie Dich gibt, die Hilfestellung leisten können, wenn es mit dem Stillen nicht ganz rund läuft oder man sich einfach unsicher ist bei dem, was man tut.
Liebe Frauen & Männer, falls Ihr Fragen zum Thema Stillen habt, sucht das Gespräch mit einer Stillberaterin. Oft hat sie ganz andere Ansätze und Erfahrungen als eine Hebamme. Anna findet ihr hier.
Habt alle einen schönen Tag.
Eure Chaos & Queen
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Hallo, ich möchte zur Frage „Ist Stillen denn anfangs immer mit Schmerzen verbunden?“ Antwort: „Nein! Wenn das Stillen bereits anfangs schmerzt, sollte man auf jeden Fall noch einmal die Anlegetechnik überprüfen“ noch etwas hinzufügen, was meine persönliche Erfahrung beim Stillen meines zweiten Kindes betrifft. Erstaunlicherweise hatte ich anfangs ein sehr starkes Ziehen in der Brust und im Unterleib, eine neue Erfahrung, die ich beim ersten Kind nicht hatte und die sehr schmerzhaft war. An der Anlegetechnik lag es allerdings vermutlich nicht. Ich schreibe vermutlich, da ich a) bereits Erfahrung mit dem ersten Kind hatte und b) von einer Hebamme begleitet wurde, die mir Tipps gab und zur „Weiterentwicklung“ meiner Stillkenntnisse beitrug. Diese anfänglichen starken Schmerzen gingen dann mit der Zeit weg, es ähnelte den Kontraktionen unter der Geburt. Ich weiss natürlich nicht, wievielen Frauen es beim zweiten Kind so geht, es war für mich allerdings überraschend, deshalb schreibe ich es Dir hier.