Das Chaosmädchen befindet sich mal wieder in einer Phase. Diese Phase hatten wir haargenau so vor einigen Monaten schon einmal. Nun ist sie noch etwas ausgeprägter. Oder ich habe die letzte Phase einfach schon vergessen. Ich stoße an meine Grenzen. Deshalb, weil auch die Miniqueen fordert und sich in irgendeiner dieser vielen Phasen des Kleinkindalters befindet.
Jeder darf mal wütend sein. Aber worin liegt die Kunst, sein Kind zu beruhigen?
Laut, Wütend und unausgeglichen
Das Chaosmädchen ist unzufrieden. Gerne mit so ziemlich allem, was passiert. Das bringt sie auch lautstark zum Ausdruck. Sie ist momentan oft ungehalten, wütend. Sie schreit. Manchmal ballt sie die Fäuste, bekommt einen hochroten Kopf. „Blöde Mama“ ruft sie so laut sie kann. „Ich will Dich nicht mehr sehen!“ Und ihr Freund bin ich sowieso nicht. Kennt ihr vielleicht?
Das ist nicht schön und ich sage Euch, es ist fürchterlich anstrengend. Es auszuhalten. Zu ertragen. Aber auch der Versuch, sie dort abzuholen. Ihr zu helfen.
Das geht nämlich meist nicht. Sie steckt fest in Ihrer Wut und Verzweiflung. Und neben all der Liebe zu ihr macht sich bei mir auch Verzweiflung breit. Manchmal Hilflosigkeit.
Jeder darf mal wütend sein
So wie wir, so haben auch unsere Kinder gute und auch weniger gute Tage. Manchmal eben auch richtig schlechte. So sehe ich auch, dass ich an manchen Tagen besser damit zurecht komme, wenn das Chaosmädchen ausflippt als an anderen. Manchmal verspüre ich diesen inneren Drang, ihr helfen zu müssen. An anderen Tagen weiß ich, dass ich ihr nicht helfen kann.
In einem Gespräch mit einem Freund versuchten wir herauszufinden, welcher Weg der Richtige ist, sein Kind in dieser Wut abzuholen, sie runterzufahren, ihr zu helfen. Und Wege gibt es völlig unterschiedliche.
Ich vertrete die Meinung, dass grundsätzlich jeder ein Recht hat, wütend zu sein. Uns Erwachsenen steht das zu. Manchmal wachen wir mit schlechter Laune auf oder haben uns fürchterlich über etwas geärgert. Wir dürfen das. Vielleicht, weil wir es als Erwachsene anders/besser dosieren können. Warum schauen sich alle um, wenn ein Kind wütend ist? Oder einen schlechten Tag hat? Warum wird einem Kind diese Wut oftmals nicht zugestanden? Oder gar schlechte Laune?
Zu viel Geduld
In den letzten Wochen habe ich mehrfach gehört, dass ich dem Chaosmädchen gegenüber zu viel Geduld aufbringe. Sicherlich in einigen Fällen gleichzusetzen mit „Du lässt ihr zu viel durchgehen“.
Mir ist bewusst, dass in Sachen Erziehung und Geduld die Meinungen auseinander gehen. Hätte ich unsere Situationen vor Jahren bei anderen beobachtet, so hätte ich sicher auch das ein oder andere Mal gesagt „Das geht gar nicht! Das Kind braucht mal ne Ansage. Und mehr Grenzen.“
Grundsätzlich spreche ich gerne mit meinen Kindern auf Augenhöhe und möchte nicht die schimpfende und bestimmende Mutter sein, die von oben herab mit den Kindern spricht. Das bin ich viel zu oft und ärgere mich. Auch, wenn ich weiß, dass wir alle nur Menschen sind und Menschen eben auch an Grenzen stoßen. Auch Mütter. Wie geduldig ich tatsächlich bin, mag ich nicht festlegen. Aber auch ich habe meine Grenzen. Auch ich habe den Punkt, an dem nichts mehr geht und ich förmlich explodiere.
Es gibt Tage, da bin ich strapazierfähiger als an anderen, bedingt durch die unterschiedlichsten Faktoren. Dazu zählt natürlich ein ausgeprägter Schlafmangel oder auch extrem anstrengende Vortage mit beiden Mädels. Aufeinanderfolgende Tage, an denen das Chaosmädchen sich in Höchstform zu befinden scheint sind besonders hart. Oft bringt mich dann die kleinste Kleinigkeit Ihrerseits völlig aus der Fassung. Weil es sich wiederholt. Man gegen Wände zu sprechen scheint. Die bekanntlich nichts hören.
Die Kunst, sein Kind zu beruhigen
In der Wut meines Kindes ist ihr selten zu helfen. Wo vor einigen Monaten noch Mamas tröstende Arme helfen könnten, das Chaosmädchen zu beruhigen hilft aktuell so gut wie nichts. Und auch, wenn es für Freunde oder Nachbarn anstrengend, nervig und extrem laut ist. So ist es eben. Das Leben mit Kindern. Auch ich finde es anstrengend. Aber auch diese Phase wird vorbeigehen. Von unserer Wirkung und dem Bild nach Außen müssen wir uns dabei glaube ich verabschieden. Das fällt dem Chaosmann oft schwerer als mir.
Es reichen Kleinigkeiten, um das Chaosmädchen aus der Fassung zu bringen. Ein Pool, der (ihrer Meinung nach) zu wenig Wasser enthält, eine (hundertste) Ermahnung, sie solle die Miniqueen nicht ständig durch die Gegend tragen, das falsche Butterbrot, die Zahnpasta zu früh auf die Zahnbürste gemacht. Gründe gibt es viele.
Der Kopf läuft rot an. Sie spuckt. Und schlägt. Sie schreit.
Aber meist geht sie weg. Weg von mir. Möchte mich nicht mehr sehen. Tobt. Fühlt sich ungerecht behandelt. Und ich kann sie oft so gut verstehen. Innerhalb der letzten Wutausbrüche habe ich für mich herausgefunden, dass ich ihr in den meisten dieser Situationen zunächst nicht direkt helfen kann. Ich kann sie nicht abholen. Aber ich begleite sie, in dem ich sie lasse. Sie soll wütend sein dürfen. Auch wenn es unendlich laut ist, nervt und manchmal auch ein wenig schmerzt. Im Mutterherz. Es zehrt an den Nerven. Man fühlt sich oft so allein und hilflos.
Wiederum gibt es auch die Tage, wo ich es nicht ertragen kann. Ich möchte nicht, dass sie sich so aufführt und ich möchte nicht, dass sie alles zusammenschreit. Schlichtweg, weil es nervt. Aber icih gebe mir Mühe, sie wütend sein zu lassen.
Das Chaosmädchen beruhigt sich selbst
Manchmal dauert es. Und manchmal geht es schnell. Das Chaosmädchen beruhigt sich oft selbst. Von mir angebotene Hilfe wird zu 99% abgelehnt. Sie geht von mir weg, schimpft, schreit und tobt, aber sie beruhigt sich. Irgendwann.
Andere nennen das Geduld. Geduld, die meinerseits auch nicht immer funktioniert. Sie wird auf die Probe gestellt, oft überstrapaziert. Für mich es ein Aushalten. Den „Zustand“ und die Wut des Chaosmädchens ertragen, ohne ihr helfen zu können. Auf „Blöde Mama“ reagiere ich meist nicht. Weil es nichts bringt. Nicht in dieser Situation. Alle Versuche, mit meinem Kind zu sprechen scheitern. Deshalb warte ich. Das funktioniert auch nicht an jedem Tag.
Das Chaosmädchen sucht meist selbst wieder den Weg zu mir zurück. Wenn sie bereit ist. Und dann oder im schlimmsten Fall beim Zubettgehen, finde ich eine Möglichkeit, mit ihr zu sprechen. Über Ihre Wut und meine. Über das, was passiert ist. Dann drücken wir uns und haben uns lieb. Wie immer. Denn ein Wutausbruch bedeutet nicht, dass diese Liebe verschwindet.
Jedes Kind ist anders
Als Mutter kenne ich mein Kind am Besten. Auch ich habe schon über andere Kinder und Beruhigungsmethoden „geschimpft“. Gesagt, ich würde das alles anders machen. Vielleicht fände auch ich mein Verhalten bei anderen Familien befremdlich. Weil das Chaosmädchen dann wirklich extrem ist und ich sie machen lasse. Meistens. Aber jedes Kind ist anders.
Unsere Beruhigungsmethode wird sich mit dem Laufe der Zeit sicherlich wieder verändern. Vielleicht auch nicht. Möglicherweise wird sie auf meine Vorschläge während des Wutanfalls noch einmal zurück kommen. Sich in den Arm nehmen lassen und beruhigen. Vielleicht aber auch nicht. Weil sie einen Weg gefunden hat, mit Ihrer Wut umzugehen.
Andere Kinder malen „Wutbilder“. Das finde ich auch toll. Beeindruckend. Das läuft ruhiger ab als bei uns. Jedes Kind muss seinen Weg finden. Und wir Erwachsenen ebenfalls.
Die Kunst, sein Kind zu beruhigen liegt meines Erachtens darin, die Gefühle zuzulassen und individuell darauf einzugehen. Es gibt kein Patentrezept. Es gilt, eine Lösung zu finden, die am Besten auf sein Kind passt. Auch, wenn diese ganz anders aussieht als bei Anderen.
Lasst Euch nicht verunsichern. Ihr kennt Euer Kind am Besten.
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1 comment
Danke, dass du aus deinem Alltag berichtest, auch ich habe ein sehr starkes Mädchen welches aktuell wegen vielen Dingen Wut verspürt und sehr lautstark zum Ausdruck bringt. Ich finde es unfassbar anstrengend. Sehe es aber wie du, die Wut darf sein. Lediglich bei Handgreiflichkeiten mische ich mich ein und versuche den Ausdruck der Wut umzulenken. Ohne ihr jedoch die Wut nehmen zu wollen. Ein Drahtseilakt…
Obwohl sie Gefühle sonst gut benennen kann oder warum sie etwas wie findet. Fällt es ihr im Nachhinein schwer über das „warum“ zu sprechen, manchmal (keinesfalls immer) finde ich doch diese nachträgliche Reflexion sehr wichtig. Da haben wir gute Erfahrungen gemacht, indem sie mit einer Handpuppe Bzw. bei uns ist es eigentlich ein Badetier (Frosch) spricht, der beschwerte sich über den Lärm und so kamen sie ins Gespräch. Das hat ihr geholfen es loszuwerden, sich zu erklären und mir sie besser zu verstehen.
Bei einigen Dingen müssen die Kinder und auch wir es einfach mal ertragen, dass es eben auch mal anders läuft und deswegen zu solcher Wut kommt. Es ist eben sehr verschieden von Situation zu Situation….
Danke, dass du auch von deinem Alltag erzählst und man sich dadurch verstanden fühlt. EGAL was die Umwelt sagt oder denkt.